Anders herum. Der Arzt muß ZUERST herausfinden, um welchen Virus es sich handelt, weil er sonst keine passende Behandlung verschreiben kann. Ursache - Wirkung, nicht anders herum, und bei Schulden ist es ganz genauso, erst muß mal eine reale, konkrete Ursache für eine Schuld vorhanden sein, bevor eine Wirkung eintreten kann.
Der Virus ist die systemimmanente Fehlerveranlagung oder auch die Veranlagung, anderen Böses zu tun (oder auch nur zu wünschen).
Erbgut macht uns keine Probleme, sofern „gut“ gemeint ist. Erbschuld schon. Damit meine ich nicht für Verbrechen zu haften, die irgendwelche Vorfahren begangen haben. Damit meine ich das auf Fehler angelegte Sein des Menschen, sozusagen „systemimmanent“.
"Ausgewichen" bin ich nirgendwo, einfach weil ich meine Meinung noch gar nicht geschrieben habe. Du schreibst, jeder Mensch hat eine "Erbschuld", einfach weil er ein Mensch ist - ich bin nicht dieser Meinung.
Nein, weil er fehlerhaft/schuldhaft veranlagt ist. Bei Autos würde der Hersteller einen Rückruf starten.
Das ist kein "Ausweichen", sondern einfach zwei unterschiedliche und nicht vereinbare Standpunkte. Ich denke, daß kein Mensch an etwas schuld sein kann, was ganz andere Menschen vor 100, 1000 oder 20.000 Jahren irgendwo getan haben, und er hat überhaupt keine "Pauschalschuld" daran. Er kann höchstens daraus lernen und versuchen, es in einer neu auftauchenden, ähnlich gelagerten Situation anders zu machen - wobei "anders" aber nicht zwangsläufig "besser" heißen muß - neue Wege zu gehen, erzeugt immer auch die Chance, neue Fehler zu machen.
Natürlich können wir unser Handeln reflektieren und ggf. fehlerhaftes Handeln, welches wir von z.B. Eltern übernommen haben, überdenken und unterlassen. Aber das führt auch nur dann zur Vermeidung von Schuld, wenn wir perfekt im frühest möglichen Zeitpunkt optimal reflektieren und sofort unterlassen. Auf wen könnte das zutreffen? Aus meiner Sicht kann das kein Mensch von sich zu Recht behaupten. Und schon entsteht nicht nur die Chance etwas besser zu machen als die Eltern, sondern auch die so oft genutzte Chance für schuldhaftes Handeln.
Was mich persönlich angeht, so versuche ich "Schulden" nach Möglichkeit von vorneherein zu vermeiden. Materielle Schulden - Geld oder andere bemeßbare Größen - sind kein Problem, eben weil sie genau bezifferbar sind, sobald ein Ausgleich erfolgt ist, wie auch immer sich die beteiligten Parteien da einigen, ist die Sache erledigt, und wird deswegen auch nie wieder aufgegriffen, wer sowas auch nach erfolgtem Ausgleich immer und immer wieder aufs Tapet bringt, muß sich irgendwann fragen lassen, welche persönlichen Animositäten gegen den anderen er eigentlich hegt.
Die "immateriellen" Schulden, auf die Du offenbar hinaus willst, entstehen üblicherweise im zwischenmenschlichen Bereich. Da bin ich für den Ausgleich - geben und nehmen, Wohltat gegen Wohltat, Übeltat gegen Übeltat, solange die Waage insgesamt im Gleichgewicht bleibt, kann sich niemand beschweren. Kleine Schwankungen hin und her halten die Welt in Bewegung, eine Welt im völligen Stillstand wäre versteinert. Daß das "Pendel" der Welt immer hin und her geht, weiß jeder, der eine Ahnung von Geschichte hat - jedem kleinem oder extremen Ausschlag in eine Richtung, wie Ungerechtigkeiten, Terror, Umweltverschmutzung, aber auch so ordinäre Kleinigkeiten wie Mode oder Lebensgewohnheiten (z. B. Rocklängen oder durchschnittliche Wohnungsgrößen, beide klassische "Anzeigefaktoren" für den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stand in einem westlichen Land) - folgt prompt ein genauso deftiger Ausschlag in die andere Richtung, in der die erstgenannten Faktoren rigoros verfolgt oder als "veraltet und überholt" abgelehnt werden werden. Der "Gegenschlag" dauert zuweilen eine Weile, deshalb ist das für viele Menschen nicht erkennbar, aber er kommt. Irgendwann und letztlich genauso durchschlagend wie das eigentliche Ereignis. Wer sich in einer Bewegung des Pendels zum King macht und die Leute schurigelt, wird im Gegenschlag davongeweht, was heute "in" ist, ist morgen "out". Das gilt für Menschen genauso wie für Vereinigungen, Staaten, Ideologien, Religionen... aus guten Gründen gilt die Waage seit alten Zeiten als das Symbol für Gerechtigkeit.
Willst Du meinen Einstellung zu Themen wie "Schuld" wissen, dann denk an eine Waage: ein wenig ausschlagen darf sie, mal nach dieser, mal nach jener Seite, aber sie darf niemals dauerhaft im Ungleichgewicht bleiben. Wenn sie "ausrutscht", suche ich nach einem Weg des Ausgleichs - wie auch immer, ob ich jemandem was Gutes tue oder ihm eins auswische, wenn er mir bei anderer Gelegenheit (bewußt und mit Absicht) Böses getan hat.
Du bist für Ausgleich? Also das alte biblische Prinzip „Auge um Auge, Zahn um Zahn“.
Und ich belaste "meine" Waage niemals mit Schulden, die mir andere Leute aus ihren eigenen, persönlichen Gründen aufhalsen wollen, wie z. B. mit irgendwelchen diffusen und offenbar gar nicht näher begründbaren "Erbschulden", von deren Existenz Du anscheinend überzeugt bist.
Wie oben erwähnt: Schon die Fähigkeit, andere zu schädigen, gehört nach meiner Meinung zur ererbten Schuldhaftigkeit. Wobei ich gerne einräume, dass die Erbschuld nach meiner Meinung auf denjenigen nicht zutrifft, der sich keine Schuld zurechnen lassen muß. Nur – auf wen trifft das schon zu?
Du magst Deine Waage niemals mit Schulden belasten, die Dir andere Leute aufhalsen wollen. Das verstehe ich. Nur gehst Du mit den von Dir verursachten immateriellen Schulden um? Auge um Auge....?