Hallo, Daoga,
Ich habe nur noch nicht herausfinden können, wie diese Menschen mit ihren Fehlern bzw. mit Schuld umgehen. Wenn ich mal in ein tieferes Gespräch mit einem Menschen kam, der von sich als Gut-Mensch sprach, bekam ich nur ausweichende Antworten bei der Frage nach eigenen Fehlern, Schuld. Antworten eben, wie Du sie gibst.
Kommt ein Patient mit z.B. einer Virusinfektion zum Arzt, wird der Arzt nicht nur ein Medikament gegen die Symptome verschreiben, sondern wissen wollen, was das für ein Virus ist, wie er „entstanden“ ist und was seine Eigenschaften sind.
LG, Nordrheiner
Anders herum. Der Arzt muß ZUERST herausfinden, um welchen Virus es sich handelt, weil er sonst keine passende Behandlung verschreiben kann. Ursache - Wirkung, nicht anders herum, und bei Schulden ist es ganz genauso, erst muß mal eine reale, konkrete Ursache für eine Schuld vorhanden sein, bevor eine Wirkung eintreten kann.
"Ausgewichen" bin ich nirgendwo, einfach weil ich meine Meinung noch gar nicht geschrieben habe. Du schreibst, jeder Mensch hat eine "Erbschuld", einfach weil er ein Mensch ist - ich bin nicht dieser Meinung. Das ist kein "Ausweichen", sondern einfach zwei unterschiedliche und nicht vereinbare Standpunkte. Ich denke, daß kein Mensch an etwas schuld sein kann, was ganz andere Menschen vor 100, 1000 oder 20.000 Jahren irgendwo getan haben, und er hat überhaupt keine "Pauschalschuld" daran. Er kann höchstens daraus lernen und versuchen, es in einer neu auftauchenden, ähnlich gelagerten Situation anders zu machen - wobei "anders" aber nicht zwangsläufig "besser" heißen muß - neue Wege zu gehen, erzeugt immer auch die Chance, neue Fehler zu machen.
Was mich persönlich angeht, so versuche ich "Schulden" nach Möglichkeit von vorneherein zu vermeiden. Materielle Schulden - Geld oder andere bemeßbare Größen - sind kein Problem, eben weil sie genau bezifferbar sind, sobald ein Ausgleich erfolgt ist, wie auch immer sich die beteiligten Parteien da einigen, ist die Sache erledigt, und wird deswegen auch nie wieder aufgegriffen, wer sowas auch nach erfolgtem Ausgleich immer und immer wieder aufs Tapet bringt, muß sich irgendwann fragen lassen, welche persönlichen Animositäten gegen den anderen er eigentlich hegt.
Die "immateriellen" Schulden, auf die Du offenbar hinaus willst, entstehen üblicherweise im zwischenmenschlichen Bereich. Da bin ich für den Ausgleich - geben und nehmen, Wohltat gegen Wohltat, Übeltat gegen Übeltat, solange die Waage insgesamt im Gleichgewicht bleibt, kann sich niemand beschweren. Kleine Schwankungen hin und her halten die Welt in Bewegung, eine Welt im völligen Stillstand wäre versteinert. Daß das "Pendel" der Welt immer hin und her geht, weiß jeder, der eine Ahnung von Geschichte hat - jedem kleinem oder extremen Ausschlag in eine Richtung, wie Ungerechtigkeiten, Terror, Umweltverschmutzung, aber auch so ordinäre Kleinigkeiten wie Mode oder Lebensgewohnheiten (z. B. Rocklängen oder durchschnittliche Wohnungsgrößen, beide klassische "Anzeigefaktoren" für den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stand in einem westlichen Land) - folgt prompt ein genauso deftiger Ausschlag in die andere Richtung, in der die erstgenannten Faktoren rigoros verfolgt oder als "veraltet und überholt" abgelehnt werden werden. Der "Gegenschlag" dauert zuweilen eine Weile, deshalb ist das für viele Menschen nicht erkennbar, aber er kommt. Irgendwann und letztlich genauso durchschlagend wie das eigentliche Ereignis. Wer sich in einer Bewegung des Pendels zum King macht und die Leute schurigelt, wird im Gegenschlag davongeweht, was heute "in" ist, ist morgen "out". Das gilt für Menschen genauso wie für Vereinigungen, Staaten, Ideologien, Religionen... aus guten Gründen gilt die Waage seit alten Zeiten als das Symbol für Gerechtigkeit.
Willst Du meinen Einstellung zu Themen wie "Schuld" wissen, dann denk an eine Waage: ein wenig ausschlagen darf sie, mal nach dieser, mal nach jener Seite, aber sie darf niemals dauerhaft im Ungleichgewicht bleiben. Wenn sie "ausrutscht", suche ich nach einem Weg des Ausgleichs - wie auch immer, ob ich jemandem was Gutes tue oder ihm eins auswische, wenn er mir bei anderer Gelegenheit (bewußt und mit Absicht) Böses getan hat.
Und ich belaste "meine" Waage niemals mit Schulden, die mir andere Leute aus ihren eigenen, persönlichen Gründen aufhalsen wollen, wie z. B. mit irgendwelchen diffusen und offenbar gar nicht näher begründbaren "Erbschulden", von deren Existenz Du anscheinend überzeugt bist.