Also ich denke ja schon, dass es uns bis heute EXTREM beeinflusst. Also man kann definitiv nicht sagen, dass es mit unserem Leben doch heute nichts mehr zu tun hat.
Wir dürfen nicht vergessen, dass wir alle "Nachkriegskinder" sind. Wir alle stammen (vielleicht sogar in erster Generation) von Menschen ab, die durch den Krieg traumatisiert sind.
Und letztlich hat so gut wie JEDE Familie ihr Trauma: Sei es, dass der Vater der bei der SS war seine Kinder später mit und zur lieblosen Härte erzogen hat und diese Kinder bis heute darunter leiden, bzw es wiederum an IHRE Kinder weitergeben. Sei es, dass wir aus Familien stammen, die verfolgt oder getötet wurden, die Väter oder Söhne im Krieg verloren haben und und und. Es gibt doch kaum eine Familie, in die dieser Krieg kein Loch geschlagen hätte.
Oder auch seien es Haltungen die unseren Alltag prägen, ohne dass wir wirklich wissen, wo sie herkommen.
Wusstet ihr zB dass unsere Vorschrift, dass bei jeder Geburt eine Hebamme dabei sein MUSS, aber ein Arzt keine Pflicht ist, eine Regel der Nazis war? Jetzt könnte man sagen: OK, das ist doch was gutes- Hebammen sind doch gut?
Aber wenn man sich klar macht, WARUM sie dabei sein mussten: Nämlich um zu überwachen und zu melden, wenn irgendwo ein behindertes oder vielleicht nicht "arisches" Kind geboren wurde, wird einem ganz anders.
Oder überhaupt das Thema Kindererziehung: Vieles was wir Deutschen so weitergeben (Abhärtung und Kinder schreien lassen zB) kommt aus dieser Zeit.
Dass in Deutschland die Homöopatie und andere Alternativmedizinische Ansätze so mächtig auch auch usw. (weil günstig und passend zur haltung dass der "gesunde" Körper selbst mit Krankheiten fertig wird und der Schwache halt untergehen soll)
OK, das sind alles Dinge die sich weiterentwickelt haben, die aber zeigen: Der Einfluss ist nach wie vor da und prägt und persönlich und gesellschaftlich.
Ich bin jedenfalls sicher, dass viele von uns anders ausgewachsen wären, wenn ihre direkten Vorfahren eben dieses Trauma NICHT gehabt hätten. Letztlich stammen wir von "Überlebenden" ab, die bisweilen hohe Preise gezahlt haben und nur "so irgendwie" überlebt haben.
Entweder waren sie danach schwer traumatisiert oder sie waren unfassbar hart...jedenfalls haben sie das an ihre Kinder weitergegeben.
Ich weiß noch, wie meine Oma mich bei Gewitter getröstet hat und gesagt hat: "Hab keine Angst, es ist ja kein Luftangriff"
Ich finde es unfassbar wichtig, dass dieser Schmerz niemals vergessen wird und ich finde es auch wichtig, ihn zu thematisieren. Ebenso wie die Verbrechen!
Denn erstens heißt das, dass man dne Schmerz aufarbeitet und zweitens finde ich auch, dass es etwas ist, worauf unsere Gesellschaft stolz sein kann: Im Gegensatz zu vielen anderen Staaten, die eben NICHT zu Verbrechen in ihrer Vergangenheit stehen, können wir heute doch aufrecht stehen und sagen: JA- WIR stehen dazu und leugnen die Verbrechen unserer Vorfahren NICHT.
Wir müssen auch nichts schönreden und wir können heute aufrecht sein und sagen: "Ja, es ist passiert und wir verurteilen es aus ganzer Seele"
Für mich ist das keine Sache der "Scham", sondern eine Sache des Stolzes.
Wer aufrecht sagen kann, dass er daraus gelernt hat, der kann doch auch dazu stehen und muss sich nicht schämen oder rauswinden. Es ist doch ein Zeichen von Größe, zu den Taten zu stehen und Verantwortung für die Zukunft zu übernhemen! Wieso das manche Parteien und Gruppen jetzt als Schwäche hinstellen ist mir schleierhaft...bzw ist es leider ein ganz ganz schlechtes Zeichen.
In meinen Augen können doch nur diejenigen ein Interesse daran haben, dass man es möglichst unter den Tisch fallen lässt, die eben nicht so ganz klar in ihrer Haltung sind.
Ich vergleiche das mal mit den Missbrauchsfällen der Kirche: ich denke, wenn die Kirche jetzt klar sagen würde: "JA, das ist passiert! ja, wir erkennen das an, wir stehen dazu, wir arbeiten es auf und stehen dort wo es noch geht auch dafür gerade ,bzw tun alles, dass es nie wieder passiert": Dann würde die Kirche doch auch im Ansehen steigen, weil sie HALTUNG zeigt. Aber diese rumgeeiere, dieses schönreden, sich rauswinden, von manchen: DAS ist doch so erbärmlich und führt dazu, dass sich so viele abwenden.