Ich realisiere dabei aber auch, dass mir viele Menschen in diesem Milieu leid tun.
Geht mir ähnlich, einer de Gründe weshalb ich im Hilfeforum hier aktiv bin. Allerdings gehen mir auch die Ideen aus wie man diese Menschen erreichen kann. Man bräuchte so etwas wie ein Aussteigerprogramm.
Aber abgesehen von Denkanstößen kann man wohl nicht viel machen, bis besagte gedachte Person selbst zu der Einsicht kommt dass Änderungsbedarf besteht.
In dem Interview wird ja auch betont dass es nicht darum geht tatsächlich bestehende Missstände zu verneinen, ganz im Gegenteil, das ist ja immer der Vorwurf den man, auch hier im Forum, dann direkt entgegen gebracht bekommt.
Aber es ist eine Sache den Missstand zu erkennen und sich dann mit der Schuldzuweisung zu begnügen, oder ob man Wege findet damit umzugehen. Den besagten Missstand, so er denn tatsächlich einer ist, was noch mal jeweils ein eigenes Thema ist, abzustellen ist davon ja unbenommen.
Wenn man sich erst erlaubt glücklich zu sein, wenn die Welt um einen herum
perfekt ist, dann wird das halt nie was. Schlimmer noch, da die Vorstellung wie die perfekte Welt auszusehen hat, bei Verneinung einer objektiven Realität, rein subjektiv ist, hat ja jeder eine eigene ggf. konkurrierende Vorstellung davon.
Aus meiner Sicht ist die Verlockung externer Schuld(zuweisung), um sich nicht an die eigene Nase fassen zu müssen, DIE psychologische Falle schlecht hin. Denn sie verhindert dass ein Mensch sich persönlich weiter entwickeln kann. Man verbleibt also ewig auf dem Niveau eines Kindes, welches Eltern durch Lehrer und später dann durch den Staat ersetzt, sich aber nie emanzipiert und selbst Verantwortung übernimmt.
Die Selbstreflexion findet nicht mehr, eigene Fehler bzw. Handlungsperspektiven werden nicht erkannt oder sogar aktiv verneint, als Rechtfertigung nicht selbstständig tätig werden zu müssen. Schlimmstenfalls sogar als Erklärung für das ganze bisherige Leben und den sich nicht einstellen wollenden Erfolg. Nämlich dass dieser zwar verdient wäre, aber einem vorenthalten wird. Eben "vom System", "den alten weißen Männern" oder schlicht denen, die den Erfolg erreicht haben. Denen neidet man dann und will dann, so mein Eindruck, zumindest moralisch überlegen sein.
Ich erinnere mich da an die Darstellung in Disneyfilmen, wann immer dort ein Unternehmer auftaucht ist das so ein schmieriger Typ im Anzug mit Haifischzähnen, der Schwächere ausbeutet.
Siehe auch die Tatortstatistik, also die Sendung im ÖRF, wo in ca. 10% der Fälle von über 1000 Folgen der Unternehmer der Mörder war. Übrigens einmal der Gärtner. Bzw. die Gärtnerin, wir sind ja beim ÖRF.
Und so ein unmoralischer Mensch möchte man natürlich nicht sein. Das ist jetzt nur ein Beispiel, aber so kann man sich auch selbst auf Misserfolg programmieren. Vera F. Birkenbihl hat dazu ja auch einiges gemacht, z.B. dass das Wort "wuchern" in der Bibel positiv besetzt ist. Man solle mit seinem von Gott gegebenen Talent (gab auch eine Währung die so genannt wurde, nicht ohne Grund) wuchern, auf dass man, wenn man nach dem Tod wieder vor Gott steht, vorweisen kann was man Zeit seines Lebens aus diesem Geschenk gemacht hat.
Außer natürlich man möchte auf die Frage von Gott, was man denn damit gemacht habe, antworten: "Nix, hier hast deinen ***** zurück"
Generell könnte man ja auch seine persönliche Einstellung so ändern, dass der Erfolg um so größer zu bemessen ist, je mehr Hindernisse man dafür überwunden hat. Ich denke da immer gerne an die Paralympics. Ich interessiere mich zwar nicht für Sport, aber was diese Menschen trotz Einschränkung erreichen können ist imho eine tolle Symbolik.
Aber da uns in der Schule ja schon früh die Angst vor dem Scheitern antrainiert wird ist natürlich der Weg nicht scheitern zu können, nämlich in dem man es erst gar nicht versucht, kombiniert mit der externen Schuldzuweisung, sehr verlockend.
Und die Reduzierung von Sozialleistung, also die Möglichkeit auf Kosten derer die einen anderen Weg gegangen sind, und ja ggf. auch einen leichteren Weg, stellt diesen Lebensweg und damit das eigene Selbstbild, natürlich infrage. Entsprechend hält man, aus dieser Perspektive, diese Leistungen vermutlich sogar für einen berechtigten Anspruch, weil einem der Erfolg (angeblich) vorenthalten wurde, und die eigene Lebensweise die moralisch überlegene ist/sei.
Zumindest erkläre ich mir so auch den Zuspruch zu Degrowth und ähnlichem. Den anderen soll es gefälligst auch schlecht gehen. Zumindest kommt es bei mir so an. Siehe damals den Thread zum Thema "neid".
Mein Hauptansatzpunkt um Menschen zu erreichen bleibt dabei der wirtschaftliche Aspekt, da die fehlgeleitete Kritik am
bösen kapitalistischen System ja mit den Verwerfungen des Fiat-Geldsystems aka Geldsozialismus einen durchaus wahren Kern hat. Und weil Geld jeden angeht und jeden ständig betrifft, so meine Erfahrung, kann man die Leute dort noch am ehesten abholen.
Nur der Schritt dass weniger Sozialismus und mehr Marktwirtschaft die Lösung wäre, der scheint dann oft zu groß zu sein. Dabei ist es eigentlich ganz einfach:
Mehr Sozialleistungen => mehr Steuern => weniger Produktivität => höhere Preise => mehr Sozialleistungen...
So lief es ja seit mehr als 30 Jahren, aber die andere Richtung ginge halt auch.
Nur scheinen die Leute bei "Steuersenkung" immer nur zu hören "Reiche noch reicher machen", an diesem Filter scheint es kein Vorbeikommen zu gehen. Denn alle Darlegungen wie Marktwirtschaft funktionieren würden ja den Willen voraussetzen diese Zusammenhänge auch verstehen zu wollen.
Aber da ist man ja schon längst in der FDP-Schublade (oder Schlimmeres), egal was man noch sagt.