Hallo, ich wollte dir gerne etwas genauer und ausführlicher auf deinen Thread antworten, weil ich deine Gefühle und Gedanken sehr gut nachvollziehen kann und selbst kenne. Das Turner-Syndrom lasse ich bewusst aussenvor, weil ich mich in dieser Hinsicht zu wenig auskenne und es nicht als Hauptursache deiner Probleme einstufe. Zudem tut es mir sehr leid, wenn sich hier einige Informationen für dich wiederholen sollten (Ich habe mir die Beträge der anderen User nicht durchgelesen, sorry!) Zuerst einmal: Lass dich nicht von irgendwelchen Zahlen verrückt machen! Du bist mehr als das. Was sagen Noten denn über dich aus? Genau, wie du an einem gewissen Tag zu einer gewissen Uhrzeit den gelernten Stoff wiedergegeben hast – mehr nicht. Es ist jedem möglich ein 1,0 Abitur zu schreiben – wenn man herausfinden würde, welche Lerntechnik einem am besten taugt und die Schule und Regierung einem genug Zeit dafür lassen würde. In unserer heutigen Gesellschaft ist es nun mal so, dass der Arbeitsmarkt von jungen, und damit länger belastbaren, Menschen profitiert. Es ist nicht gestattet (in der Schule zumindest) in seinem Tempo sich den Stoff vielleicht für etwa 18 Jahre anzueignen. Man muss einem strikten Muster folgen (Ausnahmen bestätigen die Regel!) mit der Gefahr, irgendwann nicht mehr mithalten zu können; und das ist auch vollkommen okay.
Ich finde, dass das Abitur, egal mit welcher Abschlussnote man dieses letzten Endes bekommt, etwas ist, worauf man immer stolz sein kann und darf. Du hast den in Deutschland höchsten Bildungsabschluss absolvieren können, freue dich doch! Ob du nun schlecht oder sehr gut bestanden hast, ist doch nebensächlich. Bestanden ist bestanden.
Du kannst nun in die große weite Welt hinausgehen und dein Leben endlich selbst in die Hand nehmen. Informiere dich über mögliche Studiengänge (auch im Ausland!) oder Ausbildungsplätze. Nimm dir ein wenig Auszeit und vereise oder gehe arbeiten. Dein Leben ist das, was du daraus machst. Du allein bist für dein Glück verantwortlich, niemand anders. Gebe deine Träume niemals auf! Du kannst alles erreichen, wenn du hart dafür arbeitest. Nicht umsonst gibt es Läufer mit Bein Prothesen, Pianisten ohne Hände und millionenverdienende Regisseure ohne Schulabschlüsse.
Ein Bekannter von mir hat in der 9. Klasse die Schule abgebrochen, danach eine ganze Weile gearbeitet, irgendwann seinen Haupt- und Realschulabschluss nachgeholt, Abitur nachgemacht, studiert und arbeitet heute als Tierarzt in seiner eigenen Praxis. Du siehst, man kann, wenn man auch will.
Die Sache mit den Freunden:
Im ersten Absatz schreibst du davon, dass du keine Freunde haben würdest (was absolut nicht schlimm ist; ich selbst hatte/habe immer noch niemanden in meinem näheren Umkreis, den ich wirklich als echten Freund betiteln würde!). Im letzten Absatz schreibst du wiederum von gewissen Freunden, die laut deiner Aussage, die Ansicht vertreten, dass ein 4,00 Abitur wertlos sei und man schlussfolgernd nichts damit erreichen würde; sie dich eventuell sogar dafür verurteilen würden.
Zu Aussage 1: Um Freundschaften aufbauen zu können, braucht es ein gesundes Selbstbewusstsein deinerseits und ein Vertrauensvermögen beiderseits. Ich lese eindeutig aus deinem Thread heraus, dass du dich selbst verabscheust und dich mit aller Kraft abstoßen zu versuchst. Ich möchte dir nicht zu Nahe treten, aber habt ihr auch schon über dieses Problem in der Psychotherapie gesprochen oder seid ihr es eventuell schon angegangen? Das würde ich nämlich auf jeden Fall in Erwägung ziehen! Wenn du doch selbst nicht liebst, wie sollen es denn dann andere Menschen können? Du versteckst dich vor ihnen, weil du Angst davor hast, abgelehnt zu werden. Folgendes Zitat beschreibt, das, was ich sagen möchte, eigentlich recht gut:
„I used to walk into a room full of people and wonder if they liked me … Now I look around and wonder if I like them.”
Zu Aussage 2: Wenn deine Freunde diese Ansicht vertreten, dann sei es ihnen doch gegönnt. Sie dürfen ihre eigene Meinung dazu haben. Wenn sie dich jedoch allen Ernstes dafür be- und verurteilen und dich nicht mehr ernst nehmen, dann sind das keine Freunde. Freunde machen einen nicht schlecht deswegen. Das solltest du dir definitiv bewusst werden. Solche toxischen Beziehungen brauchst du nicht in deinem Leben. Lasse sie einfach los. Stehe lieber alleine da, anstatt dich an Leuten festzuhalten, die dir nichts Gutes wollen.
Zu deiner Familie:
Es tut mir sehr leid, wenn deine Familie nicht hinter dir steht. Leider kann man sich diese, anders als die eigenen Freunde, nicht aussuchen. Aber das ist okay. Du hast mit 19 die Möglichkeit von zu Hause auszuziehen und diesen Lebensabschnitt samt Schule und „Feunden“ hinter dir zu lassen.
Zu der Meinung anderer:
Kurz und knapp: Du wirst und kannst es niemals jedem auf der Welt recht machen. Wenn gewisse Menschen etwas gegen dich haben, aus welchem Grund auch immer, dann ist das so. Lass es „einfach“ (Jaja, ich weiß; leichter gesagt als getan) an dir abprallen. Diese Menschen kennen dich nicht persönlich und können somit eigentlich gar nicht darüber urteilen, wer du wirklich bist. Verkleide dich an den Mottowochentagen und mache das, was dir gefällt. Es ist dein Leben verdammt!
Zu deiner Lehrerin:
Das mit dem Verliebtsein ist natürlich zu dem jetzigen Zeitpunkt etwas problematisch. Sobald du aus der Schule raus bist, darfst du rechtlich gesehen eine Beziehung mit einer Lehrkraft führen. Realistisch betrachtet, ist das Ganze höchstwahrscheinlich eher surreal und nur eine Wunschvorstellung deinerseits. Ich möchte natürlich nicht den Buhmann spielen, Ausnahmen bestätigen auch hierbei die Regel. Treffen könntest du dich mit Sicherheit trotzdem mit ihr. Lehrer sind auch nur Menschen. Du kannst sie ja immer noch in den Pausen antreffen und dich mit ihr unterhalten. Stichwort: Selbstbewusstsein aufbauen und lernen, sich nicht um die Meinung deiner Mitschüler zu scheren.
Vielleicht fühlst du auch nur so, weil dir zum ersten Mal, deinen eigenen Angaben nach, jemand mit Respekt und Freundlichkeit begegnet ist. Spreche auch darüber mal in deiner Psychotherapie.
Ich wünsche dir vom Herzen nur das Beste und hoffe, dass du deinen Weg finden wirst.