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Persönlicher Umgang mit Notwehrsituation

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XXXXXGuest

Gast
Hallo Sadie,
und genau deshalb suche ich den Austausch mit Menschen, die in ähnlichen Situationen waren. Von außen betrachtet ist es sehr leicht zu sagen: ja in der Notwehr ist das dein gutes Recht.

Aber glaubst du wirklich, dass zB. Soldaten die auf Mütter und Kinder schießen ernsthaft am Ende sagen: es war Notwehr, die haben das verdient? Glaubst du wirklich, dass soetwas nichts mit ihnen macht - innerlich?
Natürlich hast du recht, wenn du sagst, dass es mein gutes Recht war, um mein Leben zu schützen. Und das wurde auch von allen Seiten genau so anerkannt. Nur ich selbst hadere damit und bekomme es TROTZDEM nicht mit dem Menschen vereinbart, von dem ich glaubte, der ich sei. Und das nicht, weil ich es rein logisch nicht auch so sehe, wie fast alle. Sondern weil es meine innere Welt bestimmt. Weil ich nicht mehr aus dieser Haut kann, es mich psychisch zu einem anderen, mir sehr fremden Menschen macht. Ich habe extreme Angst vor Kontrollverlust und begebe mich dadurch zwangsläufig wieder in eine Opferrolle, weil ich Angst davor habe jemandem zu schaden oder überhaupt wieder in eine Situation zu geraten, in der ich das MUSS.
Ich glaube, da wird mir ein Austausch unter nicht Betroffenen kaum helfen. Ich möchte verstehen, warum das so ist und ob ich alleine so denke und fühle und irgendwie verrückt bin. Da helfen mir auch keine Allgemeinplätze - mit diesen werde bzw. wurde ich schon in der Therapie konfrontiert. :(
Ist vielleicht ein wenig alarmistisch, der Artikel, aber Trauma-related guilt ist nicht selten:


Hier ein wissenschaftlicher Abstract dazu (leider ist der ganze Artikel nicht frei verfügbar, aber meist kriegt man die relativ günstig über Bibliotheken oder schlimmstenfalls subito, falls du das willst ) :

.

Vielleicht versuchst du es noch einmal
mit einem Therapeuten, der auf die Behandlung von PTBS spezialisiert ist?

Klingt vielleicht merkwürdig, aber wenn du andere suchst, die dich verstehen können, glaube ich, dass du sie vielleicht am ehesten unter ex-Soldaten und ex-Polizisten finden kannst.

Oder vielleicht wirklich bei einem der Netzwerke für Gewaltopfer (gibt es sowohl für Männer als auch für Frauen).

Fürchte, mein Verständnis ist rein theoretisch, teilweise aus Sachliteratur,teilweise aus Romanen (die Rain Serie von Barry Eisler).

Die ist fiktiv, aber gut recherchiert.
 
X

XXXXXGuest

Gast
Beides. Ich bin froh den Menschen aus dem Weg gehen zu können. Die letzten Begegnungen in die ich Vertrauen investierte waren sehr verletzend, weshalb ich heute jeden privaten Kontakt vermeide.
Und dann kommt natürlich die innere Einsamkeit dazu, dass niemand wirklich versteht, wie schwer es ist aus dieser Situation herauszukommen, sich selbst wieder zu finden, nicht immer nur auf Allgemeinplätze zu treffen und auf Menschen die leichtfertig sagen lass alles einfach hinter dir.
Sobald ich nur das Wort Loslassen höre fange ich unwillkürlich an zu weinen. Warum? Das kann mir keiner beantworten. Es ist wie ein Gefängnis.

Kennt ihr den Film Casper? Bei dem die Geister nicht sterben dürfen, weil es noch unerledigte Dinge gibt? So fühle ich mich und das ist schrecklich. Nur liegen viele dieser unerledigten bzw. ungeklärten Dinge nicht in meiner Hand.

Eine Selbsthilfegruppe zu gründen traue ich mir momentan nicht zu, das bringt ja doch einiges an Verantwortung mit sich.
Könnte dir Tagebuch helfen oder triggert das zu sehr?

Jedenfalls bist du sicher nicht allein mit diesen Gefühlen. Leider hab ich sonst gerade auch keine zusätzliche Idee mehr, wie du die anderen finden kannst.

Vielleicht meldet sich hier noch jemand.
 
B

Bulletproof

Gast
Vielleicht versuchst du es noch einmal
mit einem Therapeuten, der auf die Behandlung von PTBS spezialisiert ist?
Wenn das mal so einfach wäre...
Ich stehe in zwei Großstädten auf unzähligen Listen. Ich bin es wirklich leid. Es gibt keine Plätze.

Könnte dir Tagebuch helfen oder triggert das zu sehr?
Schreibe ich bereits, aber in einem anderen Kontext. Da verarbeite ich eher die Trauer, die ebenso in mir eingezogen ist.
Leider hab ich sonst gerade auch keine zusätzliche Idee mehr, wie du die anderen finden kannst.
Kein Problem. Dankeschön für die Links, ich schaue sie mir in jedem Fall an. Sehr nett von dir!
 

Alexandretta

Aktives Mitglied
Ich bin sehr groß und habe auf meine Umgebung eigentlich immer mäßigenden Einfluss. Ich hatte Kampfsport gemacht und man wusste das und ich bin auch sehr friedlich. Also legt man sich wegen all dem nicht einfach so mit mir an. Im Krieg bin ich freilich nie gewesen.

Dennoch: Es gibt in mir diesen ganz einfachen Hebel "sich im Recht fühlen" und dann ist alles erlaubt: "Willst Du was Böses, mach ich Dich rücksichtslos fertig." Aber ich habe diese Grenze noch nie wirklich überschritten. Ich fühlte nur, dass sie da ist. Was das Überschreiten dieser Grenze mit mir macht, kann ich mir kaum vorstellen. Aber: Die Angst vor dieser Grenze, das Wissen das es falsch ist sie zu überschreiten und die Furcht dies ungerechtfertigt zu tun ist ganz natürlich Ich habe das auch - nur eben nicht dauerpräsent. Ich hoffe Du weißt rational, dass die Furcht unbegründet ist, auch wenn es Dir Angst macht, dass es vielleicht nicht so ist. Wie viele Ex-Soldaten gibt es denn tatsächlich, die dann mal irgendwo jemanden getötet haben, weil sie "überreagiert" haben? Damit meine ich nicht, Amokläufe, sondern tatsächliche Überreaktionen bei Gefahr. Da kannst Du lange suchen.
Weil wir eben keine Monster sind. Unser Gehirn weiß das sehr wohl und unglaublich gut.
Ich gebe Dir mal ein ganz anderes Beispiel: Du kannst Dich, selbst wenn Du 200kg wiegst und schläfst wie ein Nilpferd, zu Deinem erstgeborenen Säugling legen und nebeneinander schlafen. Du walzt ihn nicht platt. Unser Gehirn weiß intuitiv und mit unfassbarer Genauigkeit, wie die Situation zu handhaben ist (wenn Du keine Drogen genommen hast). Genetisch ist da etwas ganz ganz tief in uns verankert. Ich kann mir das kaum vorstellen, doch es funktioniert. Es funktioniert sogar im Schlaf!
So ähnlich ist das glaube ich auch hier. Solang Du nicht auf Drogen bis, hat das Gehirn eine sehr klare Vorstellung (vielleicht sogar eine klarere als nur der bewusste Teil des Gehirns!) von der Grenze und wann es zulässig ist sie zu überschreiten und wann nicht. Es ist evolutionär auch extrem sinnvoll nicht "zu vorsichtig" über diese Grenze zu gehen, daher kann das Erlebte schnell verstören. Aber vertrau da ruhig auf die Evolution. Wenn Du nicht grund-tendentiell aggressiv bist, dann passiert da nichts.
Ich hoffe das hat Dir zumindest ein Bisschen was gebracht, auch wenn es nah an "Therapieblabla" war...
 

Sadie02

Aktives Mitglied
Hi nochmal!

Naja, aber Soldaten, die auf unbewaffnete Zivilisten schießen, sind ja auch ganz objhektiv in keiner Notwehrsituation. Ganz egal, was sie sagen oder behaupten.

Ich dachte mehr an die Situation, dass du eben angergiffen wirst und dich wehren musst. Wennm du schreibst, dass du das nicht möchtest, was es aus dir gemacht hat - hast du schon mal die andere Frage gestellt und überlegt: Stell dir vor, du hättest dich damal nicht gewehrt. Ginge es dir dann objektiv heute besser? War da überhaupt eine Wahl, die du hättest treffen können?
Ich will absolut nicht abstreiten, dass dich das jetzt sehr belastet und du dir wünschst, dass es die Situation nie gegeben hätte. Aber wo wärst du, wenn du damals anders gehandelt hättest. Wäre es dann erträglicher?
Manchmal ist es doch so, dass es keine ideale Handlung gibt. Man muss etwas tun und macht es. Entweder man wählt bewusst oder man muss so schnell entscheiden, dass mit "bewusst" nicht viel ist. Beide Optionen sind dann nicht perfekt. Aber vielleicht hast du ja letztlich doch die Option gewählt, die weniger schlecht ist?

Alles Gute!
 
S

sandsalamander

Gast
krass.
mir laufen ein bisschen die tränen.
kann mich nur für den austausch hier bedanken.
nein, du bist nicht alleine, ich kenne manches von dem was du schreibst.

alles gute
 

Alexandretta

Aktives Mitglied
Ich werde damit aufhören. Ich denke, dass ich blind gehofft hatte, es könnte mir helfen.
Ja, ich hatte ja kein solches Erlebnis davor, sondern hab das von Kind aufgelernt. Ich würde naiv auch denken, dass es eine gute Idee ist, um Selbstsicherheit in Kampfsituationen zu bekommen. So in Richtung "Desensibilisierung" und Sicherheit. Aber es ist nicht real. Es ist nicht dasselbe.

Ich kann nur nochmal dafür werben der Evolution zu vertrauen. Die Leute, die ihr Kind im Bett plattwalzen sind lange ausgestorben. Die Leute die UNGERECHTFERTIGT mit brachialer Gewalt vorgehen, dürften früher auch aus den wandernden Nomadengruppen ausgestoßen oder anderweitig gerichtet worden sein etc. mit den entsprechenden Konsequenzen für die Fortpflanzung. Das sind Urinstinkte. Nur weil man ab einem gewissen Pegel "umschaltet", heißt das nicht, dass mit einem irgendwas nicht stimmt. Ich denke jeder ist so und das ist doch etwas sehr Beruhigendes, oder nicht?
 

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