Sehr wichtig gegen Depressionen finde ich schlicht: Weinen. Sich zurückziehen und heulen.
Hm - ich hab zu dem Thea nicht viele Bücher gelesen sondern es einfach selbst erlebt, fast 20 Jahre lang, und fand es schlimm.
Was mir definitiv nicht geholfen hat war Weinen. Ich hab mich auch zu lange zurück gezogen.
Meine Strategie war auch nicht das "Verdrängen", sondern das Analysieren. Ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass ich im Kopf eine Fehlprogrammierung haben muss.
Ich hab es mir so vorgestellt, dass mein Kopf ein PC ist, die Eingabeeinheit sind die Augen und die Ausgabeeinheit sind die Hände.
Will ich einen Sachverhalt mit dem mir zur Verfügung stehenden (Kopf-)Programm prüfen, so muss sich dieser als logisch heraus stellen.
Ich denke also: 1+1=3. Fühlt sich komisch an. Daher benutze ich zur Prüfung die Hände und schreibe die Aufgabe an die Tafel und rechne nach. Es steht dann da: 1+1=3. Dieses Ergebnis nehme ich mit dem Augen auf und führe es zur Prüfung meinem Kopf zu. Da die Augen es gesehen haben, dass 1+1 =3 ist, erhält der Kopf den Beweis, dass es so ist. Das Ergebnis wird als "wahr" behalten.
Depressionen arbeiten ähnlich.
Es erwischt einen kalt von der Seite, man muss weinen. Mindestens dann wenn es keiner sieht, bestenfalls kann man spontan flüchten: Das Gefühl ist nicht beherrschbar, kostet maximale Kraft und die komplette Aufmerksamkeit. Flüchtet man dann und weint, so erhält der Kopf das feedback, dass es einem schlecht gegangen sein muss. Sonst würde man nicht weinen müssen. Auch erhält der Kopf das feedback, dass es gut war, sich zurück zu ziehen.
Depressionen heilen sich aber nicht von selber sondern verstärken sich, wenn man nichts entgegensetzt.
Die Folge ist, dass man öfter weint, dass man sich öfter schämt, zuletzt den gehetzten Gesichtsausdruck gar nicht mehr ablegen kann und Menschen komplett meidet: Sozialphobie vom feinsten.
Was wäre die Altenative?
Die Alternative wäre in Frage zu stellen, dass man traurig sein muss. Mit dem eigenen Kopf kann man es aber nicht mehr lösen sondern muss sich auf sich nicht-verlassen (!) können. Man muss die Situation prüfen.
Ist gerade niemand gestorben oder gibt es keinen ähnlichen Grund, würde also jeder im Forum an der Stelle nicht traurig sein, so ist der Eintritt der Traurigkeit ein fake.
Da es sich um ein fake handeln muss, ist das Gefühl der Traurigkeit herbeigesponnener Unsinn, wird also als nicht real bekämpft.
Die vormals täglich mehrfach auftretenden Zusammenbrüche nehmen also ab, je öfter man sich darüber klar wird, dass genau jetzt in diesem Moment keine Traurigkeit geht.
Man lässt sich dabei die Option offen: gerne später, gerne intensiver, gerne bis zur Ohnmacht oder schlimmer. Das nächste mal jedoch wird auch wieder verschoben. Gerne später.
Der Kopf lernt draus, dass die Trauerattacken sinnlos, geradezu unsinnig sind. Jede Tagessituation führt daher zu einem "positiven" - will sagen: neutralen Effekt, dass man es diesmal nicht getan hat, obwohl es fast wieder soweit war.
Im Übrigen halte ich anti-Depressiva, die einen so weit runterfahren, dass die Traueranfälle nicht auftauchen, ebenfalls für ein (diesmal chemisches) Mittel, das einen Verlern-Effekt im Kopf bewirkt
( Trauer kommt, bricht aus, wird gelebt, verstummt - und kommt wieder).
Man mag annehmen, dass man somit gefühlskalt wird. Ja, stimmt. Wenn das der Weg ist, gerne.
Ich hab aber die Probe aufs Exempel machen müssen, als Vater starb.
Sein Tod und meine Hilflosigkeit dabei war nicht auszuhalten und es war real. Ich hab gebrüllt vor Schmerzen und ich wusste dass es richtig ist. Ich hatte aber "markiert" , wann es zu Ende zu sein hat, denn das "darüber hinaus" wäre wieder ein Depressionsanfall geworden, den ich nicht zugelassen habe.
In der Praxis habe ich dazu ein Buch aus Blech geschmiedet, für jedes Lebensjahr ein Blatt. Über 40.000 Schläge. Und als es fertig war, war damit der Zeitpunkt erreicht, aufzuhören zu trauern.
Auf dem Grab war ich entspannt, hab angeklopft, ob es ihm gut geht. Dann habe ich es montiert, und ich habe es hinbekommen, mich soweit ok zu fühlen.
Übrigens; das hier zu schreiben ist schwierig für mich. Es gibt keinen Grund traurig zu sein, am liebsten würde ich heulen? Nein! Auf gar keinen Fall lasse ich das zu.
Noch einmal zurück zum Zurückziehen.
Schwer depressive Menschen kann man erkennen. Am Gesichtsausdruck, an den roten Augen, die sich nicht mehr erholen, an der mühsam aufrecht erhaltenen und zerbrechlichen Fassade.
Oder: im Spiegel, der nichts verheimlicht.
Hat man dann endlich seine Sozialphobie so ausgeprägt, dass man gesellschaftsunfähig geworden ist und alleine die Angst, erkannt zu werden, den Kontakt verbietet, so kommt Zittern, Durchfall, Schweißausbrüche an der Tankstelle zum Vorschein. Man kann keine Zigaretten mehr bezahlen...
In der Situation habe ich mich am WE "hübsch" gemacht und bin in die Skihalle gefahren, mitten unter all die Menschen, was gefühlt lebensbedrohlich war.
Es ist nichts passiert. Gar nichts: Und ich habe es wieder und wieder getan. Ich war jetzt einfach da und hab mich nicht mehr mit meinem Äußeren auseinander gesetzt, ich habe meinen Verstand gegen die Depression gestellt.
Dadurch ist es mir gelungen, fast so zu werden wie früher, wie davor, jedoch gebe ich zu, dass ich hoch wachsam sein muss, um meinem Feind auch heute noch keine minimale kleine Chance zu geben.
Dieses Gefahrenbewusstsein beeinträchtigt mich auch nicht, da man im Verkehr auf KFZ aufpassen muss, im Urwald auf Krokodile oder am PC auf Schreibfehler. Es ist ok für mich.