In einer solchen Situation ist man leider einfach der Möglichkeit beraubt, innezuhalten.
Man hat gezwungenermaßen kaum etwas anderes im Kopf als die bevorstehende Arbeit und das pünktliche Erscheinen dort. Verspätet anzukommen und das damit zu begründen, dass man aufgrund seiner sensiblen Sinne für das Schöne unbedingt stehen bleiben musste und einem einmaligen Ausnahme-Violinist lauschen wollte, wird sicherlich auf ganz wenig Gegenliebe stoßen. (Was man so gesehen als viel tragischer empfinden könnte, als einen puren Mangel an geschulten Sinnen im morgendlichen Stress.)
Genau das Problem sehe ich auch! Das müsste man bei einem Experiment wirklich berücksichtigen. Hätte man den Typen Sonntags im Park aufgestellt, wäre ein anderes Ergebnis herausgekommen.
Das hat auch nichts mit Geschmack zu tun, oder mit der fehlenden Wahrnehmung: Wenn man an was anderes denken MUSS, dann ist es halt Essig mit der Kunstwahnehmung.
Interessant wäre das Experinment zB, wenn man es irgendwo stattfindenlassen würde, wo die Menschen die Wahl haben: ZB in einem Einkaufszentrum, wo man ja davon ausgehen kann, dass viele Leute zeit mitbringen. Oder in einem Cafe, restaurant uä.
Noch interessanter wäre es gewesen, wenn man es in einem kleinen Theater unter unspektalulärem Namen gemacht hätte. Denn da zeigt es sich doch: Wollen die Leute große Namen hören, oder gute Musik?
Interessant wäre zB auch, wenn man das gleiche Konzert einmal unter seinem wirklichen Namen und dann unter einem fiktiven Namen an gleichem Ort aufführen würde: Welche Vorstellung da wohl ausverkauft wäre?
Innehalten und etwas schönes wahnehmen ist in der Tat eine "Kunst" die vielen Leuten abhanden gekommen ist. Aber man muss auch bedenken: Wer immer und überall seine Antennen auf volle Aufnahmefähigkeit stellen würde, der würde wahnsinnig werden (siehe die Problematik von hochsensiblen Menschen, oder gar Autisten). Wir MÜSSEN selektieren, um klarzukommen. Daran ist auch nichts verwerflich.
Wichtig ist halt, dass man in der Lage ist, in Momenten, in denen es passt und in denen die Situation das zulässt, seine Antennen auf Empfang zu stellen. Wenn man das garnicht mehr kann, dann hat man ein Problem.
Das andere Problem, das in diesem Experiment angesprochen wird, ist natürlich, dass die Musikwahrnehmung unserer zeit so stark an Namen gekoppelt ist, so dass viele Menschen garnicht mehr in der Lage sind, gute von schlechter Musik zu unterscheiden. Und mit gut und schlecht meine ich jetzt keine spezielle Stilrichtung oder Geschmacksfragen, sondern die Unterscheidung zwischen Musik, die ECHT ist (also aus der Seele eines Künstlers oder mehrerer Künstler) oder Musik, die nur künstlich ist (also zB nur auf Effekt und Kommerz getrimmte Musik).
Das ist in der Tat eine komische Entwicklung- gibt es heute ja mehr gute Musik in allen Genres denn je!