Hallo,
Wie ihr alle wisst haben wir in Deutschland ein Fachkräftemangel egal in welchen Bereich.
Wie könnte man nach eure Meinung dieses Mangel verringern?
Was muss sich verbessern das mehr Menschen bereit sind eher solche Arbeit zu machen.
Das Hauptproblem ist ja, dass in Deutschland schlicht die Menschen im erwerbsfähigen Alter immer weniger werden. Selbst wenn man mit besserer Bezahlung und besseren Arbeitsbedingungen mehr Nachfrage nach einem bestimmten Job, z.B. in der Pflege schafft, fehlen diese Menschen irgendwo anders um die Arbeit zu erledigen.
Kleines Beispiel: Ich arbeite im Großhandel. Mein Arbeitgeber hat etwa 120 Mitarbeiter. Wir sind ständig auf der Suche nach neuen Leuten in fast allen Abteilungen, weil ältere Mitarbeiter in Rente gehen, Mitarbeiter wegziehen oder aber auch von Mitbewerbern abgeworben werden. Das Abwerben ist grade in der Corona-Zeit stark angestiegen, weil unsere Branche aufgrund hoher Nachfrage auch viel neue Leute gebraucht hat. Was zwar für die Mitarbeiter finanziell gut ist, löst die Probleme langfristig nicht.
Jetzt gibt es zwei Ansätze wie man diesem Problem entgegenwirken kann.
1. Mehr Fachkräfte beschaffen
Wie bekommt man nun mehr Arbeitskräfte? Wachsen ja schließlich nicht auf Bäumen.
1a) Man könnte das "erwerbsfähige Alter" ausweiten. Die Grenze nach oben, also das Renteneintrittsalter, wurde ja schon mehrmals nach oben gesetzt. Dass mag angesichts der steigenden Lebenserwartung Sinn ergeben. Auch sind die Menschen mit z.B. 70 aufgrund der Gesundheitsvorsorge und Arbeitsschutzmaßnahmen noch deutlich fitter als im letzten Jahrhundert. Auf der anderen Seite macht es aber natürlich gerade körperlich anstrengende Berufe unattraktiver, wenn man die Aussicht hat 55 Jahre Arbeitsleben vor sich zu haben.
Eine Erweiterung des erwerbsfähigen Alters nach unten ist keine wirkliche Alternative. Kinderarbeit ist in Europa nicht gewünscht und auch nicht zielführend, da zwar kurzfristig Arbeitskräfte für "niedrige" Tätigkeiten zur Verfügung stehen, aber aufgrund mangelnder Schulbildung langfristig noch mehr Fachkräfte fehlen würden.
1b) Zuwanderung von Fachkräften fördern
Man könnte aus dem Ausland Fachkräfte anwerben. Menschen, die bereits in den Mangel-Berufen Erfahrung haben, müssten "nur" noch die Deutsche Sprache lernen. Falls Menschen ohne entsprechende Ausbildung oder Erfahrungen zuwandern, müssten diese gezielt gefördert und fit gemacht werden für den Arbeitsmarkt. Man muss aber auch beachten: Was im eigenen Land nutzen würde, könnte in den Ländern aus denen die Menschen abwandern, zu ähnlichen Problemen führen wie bei uns.
1c) Abwanderung von Fachkräften vermeiden
Jährlich wandern Hunderttausende aus Deutschland aus. Vieles davon sind auch Fachkräfte. Hier muss sich die Politik auch fragen wie man diese Fachkräfte halten kann. Ein Punkt ist sicherlich die (sehr) hohe Steuerbelastung von Einkommen. Während der Spitzensteuersatz früher nur den wirklich Gutverdienenden Menschen vorbehalten war, greift dieser mittlerweile auch schon bei vielen Fachkräften. Wie das finanziert werden soll? Mal bei anderen Regierungen nachfragen, die Einkommen weniger stark besteuern.
1d) Eigene Kinder/Jugend fördern
Man muss eigene Kinder wieder attraktiver machen, damit wir mehr Nachwuchs haben. Aktuell ist es für viele eine finanzielle und gesellschaftliche Belastung Kinder zu bekommen, selbst wenn sie gerne welche hätten. Neben einer Erhöhung des Kindergeldes und bezahlbaren Wohnraum sollte man aber auch in die Kindergärten, Schulbildung, Spielplätze, Sportvereine, etc. investieren. Meiner Meinung nach ist da das Geld besser investiert anstatt die Gewinne von Banken und Mineralölkonzernen zu fördern.
Dieser Schritt ist eigentlich schon lange überfällig und kurzfristig würde das das Fachkräfteproblem sogar noch verschärfen, da mehr Personal in Krankenhäusern, Kita und Schulen benötigt werden würden, während gleichzeitig viele Mütter nicht mehr in Vollzeit arbeiten würden. Aber langfristig benötigen wir den Nachwuchs.
2. Für weniger Arbeit sorgen.
Nein, damit meine Ich nicht die Unternehmen in die Insolvenz zu treiben, sondern eher die Arbeitsproduktivität zu steigern.
2a) Abbau von Bürokratie
In vielen Bereichen herrscht in unserem Land eine unglaubliche Bürokratie. Bauanträge, Förderungsanträge, etc. Überall gibt es ellenlange Formulare im Beamtendeutsch, dass in den Unternehmen viel kostbare Arbeitszeit kostet, die sinnvoller eingesetzt werden könnte. Aber auch in der Öffentlichen Verwaltungen führt das zu einem immensen Aufwand.
2b) Digitalisierung
Gerade die Öffentliche Verwaltung aber auch viele Unternehmen sind in Deutschland noch nicht wirklich digital, da es in der Vergangenheit schlichtweg nicht gefördert wurde. Mittlerweile tut sich etwas, z.B. elektronische Übermittlung von Krankmeldungen, E-Rezept, oder "digitale Behördengänge". Das entlastet auch die Unternehmen und Arbeitskräfte.
Gerade im Bildungsbereich sehe Ich hohes Potential. Zwar wird man physisch anwesende Lehrkräfte nie vollständig ersetzen können, allerdings können durch digitale Inhalte mit wenig Aufwand viele Kinder und Jugendliche erreicht werden. Und wenn mal einige (gute) Youtube-Videos mit Lerninhalten anschaut merkt man, dass man dadurch manchmal mehr Wissen vermittelt bekommt als von einem älteren unmotivierten Lehrer, der noch seine "letzten Stunden" absitzt.
Kleine Anekdote:
Meine Frau arbeitet seit letztem Jahr im Öffentlichen Dienst. Da werden am PC Dokumente erstellt, ausgedruckt, unterschrieben und anschließend wieder eingescannt und manuell abgelegt. Nein, es ist keine digitale Unterschrift möglich. Nein, es ist keine automatische Dokumentenablage, z.B. anhand eines Barcodes, möglich. Ja, es ist ein Programm, dass landesweit genutzt wird.
2c) Automatisierung
Hier hat sich in der Vergangenheit schon einiges getan und aktuell sind auch viele Unternehmen gezwungen durch Automatisierung dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. In meinem Stammsupermarkt gibt es mittlerweile digitale Preisschilder und Self-Scan-Kassen um den Arbeitsaufwand zu reduzieren. Teilweise eröffnen auf den Dörfern (wir leben in einer ländlichen Region) Supermarkt-Container komplett ohne anwesendes Personal. Amazon hat ein neues Logistkzentrum in der Region eröffnet mit Robotern, die die Ware selbstständig aus den Regalen holen und zu den Mitarbeitern bringen. Ein Krankenhaus in der Region hat nun einen Roboter, der bei Operationen den Arzt unterstützt.
Das ist erst der Anfang. Mal schauen was die Zukunft nicht bringt. Autonome Lastwagen gegen den Mangel an LKW-Fahrern? Reinigungsroboter, die die Straßen sauber halten, wie es in Asien teilweise schon Realität ist? Werden wir in Zukunft noch direkt in Geschäften einkaufen gehen oder bestellen wir alles online und bekommen es von Lieferrobotern bis vor die Haustüre gefahren?
2d) Outsourcing
Wenn hier keine Leute mehr sind, muss anderswo produziert werden. Viele Unternehmen machen das ja schon. Da Deutschland noch relativ viel Produktion hat, ist da auch noch etwas Potential. Neben der Produktion können aber auch digitale Dienstleistungen outgesourct werden. Ob das natürlich langfristig so eine gute Idee ist eine andere Frage. Auch der Staat dürfte nicht all zu viel Interesse daran haben, wenn die Wertschöpfung irgendwo anders stattfindet, da dadurch ja auch weniger Steuern in die Staatskasse kommen.
Meiner Meinung nach wird sich das Problem in Zukunft noch verstärken. Für die aktuellen Arbeitnehmern mag das zwar gute Argumente bieten um höhere Gehaltsforderungen durchzudrücken, auf der anderen Seite wird aber auch die Arbeitsverdichtung und der Stress zunehmen. Und irgendwann werden die aktuellen Maßnahmen das nicht mehr kompensieren können wodurch ein Wirtschaftseinbruch folgen wird oder aber auch ein möglicher Aufschwung gedämpft wird.