Wo bist Du, bei all dem, was Du schreibst?
Es geht ja gar nicht darum, daß Du ihr schaden sollst. Deine Einstellung dazu ehrt Dich, aber was ist mit Dir? Bei allem, wie sie sich Dir gegenüber verhält, vergisst Du Dich selbst völlig. Sie hat die Entscheidung getroffen, Eure Beziehung zu beenden, nicht Du. Es geht doch auch darum, daß Du für Dich handelst und Dich schützt. Das hat mit Verletzen doch nichts zu tun.
Ja, wo bin ich selbst... Eigentlich habe ich ja ein ganz gesundes Selbstbewußtsein, weiß wer ich bin, weiß so oft, was ich will, finde auch oft den Weg dahin. Hier ist das anders. Neben ihr habe ich einfach keine Pletz mehr. Irgendwie gab es so oft nur sie. So viele Tage, wenn es mir schlecht ging. Wenn meine Panikattacken kamen. Die Gedanken für immer zu gehen, die mich so oft begleiten. Das alles habe ich so oft selbst lösen können. Aber sie hat mir auch oft geholfen. Hat mich im Arm gehalten, wenn meine Depression zu stark war, ich es nicht mehr aushalten konnte. Wenn meine Panikattacken da waren. Ich keine Gedanken mehr formen konnte. Dann was sie einfach da. Nur für mich. Das ist etwas, das ich nicht alleine schaffen werde. Und in den Momenten war ich wichtig.
Wo bin ich jetzt. Bin ich jetzt noch? Immer wieder finde ich mich in den Gedanken, dass es mich schon gar nicht mehr gibt. Nur noch ein Teil eines Lebens, das einmal statt fand. Ich suche mich, aber ich finde nichts mehr. Nur noch eine leere Hülle voller Schmerz, die sich nicht traut zu gehen.
Ich frage mich, wo ist Deine Wut? Deine Verletztheit? Was hat sie Dir damit angetan?
Ich habe keine Wut mehr. Einfach weg. Es gab kurze Momente in denen sie kurz aufflammte. Aber soll ich auf sie wütend sein? Sie ist gegangen. Das kann nur bedeuten, dass es meine Schuld war, denn ich habe sie getrieben, bis sie es nicht mehr aushielt. Zu wenig von mir. Ich konnte ihre Wünsche einfach nicht erfüllen, konnte ihrem Leben nicht mehr gerecht werden. Dafür bin ich verantwortlich. Wie kann ich auf sie wütend sein, wenn ich es war, der nicht in der Lage war, ihr das zu bieten, was sie brauchte. Ich könnte höchstens auf mich selbst wütend sein. Aber selbstverletzung habe ich hinter mir und seit langer Zeit abgelegt.
Ja, verletzt bin ich durchaus. Jeden Tag denke ich darüber nach, was ich hätte tun können, was ich hätte ändern können, jeden Tag verfluche ich mich dafür, was ich alles nicht tun konnte, ich hätte so viel öfter über meinen Schatten springen müssen, meine Ängst hinter mir lassen, einfach ignorieren. Aber ich habe einfach die Kraft nicht mehr gefunden.
Ich weiß aber auch, dass Du die Wut auf sie, meine Verletztheit ihr gegenüber meinst. Aber ich fühle da im Moment nichts. Irgendwie fügt sie mir keine Schmerzen zu. Alles was passiert ist, war nicht ihre Schuld. Sie ist nur gegangen. Es tut einfach nur weh.
Aber was macht sie mit ihrer Panik? Sie überträgt sie auf Dich und Du sollst dafür sorgen, daß sie einen "guten Start" nach dem Auszug hat. Sie hat aber doch so entschieden, nicht Du. Du stellst doch selbst fest, wie wenig sie eigentlich von Dir weiß. Du sorgst viel zu wenig für Dich selbst.
Ich sehe mich selbst auch kaum noch als das, was ich noch vor einigen Wochen war. Nur durch einen düsteren Schleier, denke immer wieder, ich habe alles zerstört, was mir wichtig war. Ich selbst. Und vielleicht verdiene ich nichts besseres. Vielleicht ist es einfach der Weg, der für mich bestimmt ist. Ich sehe im Moment einfach keine Zukunft.
Bitte nimm es mir nicht übel, aber ich habe das Gefühl, daß Du eine ganz verklärte Sichtweise hast. Sie hat Schluss gemacht, also muß sie doch auch mit diesem Druck klar kommen. Dafür bist Du doch gar nicht verantwortlich. Und Du bist derjenige, der unter dieser Situation leidet. Sie hat sich doch dafür entschieden. Ist es denn dann nicht logisch, daß sie dann auch mit den Konsequenzen ihrer Entscheidung umgehen muss? Was hat sie denn erwartet? Dass jemand sie für diese Entscheidung lobt und ihr den roten Teppich in eine perfekte Wohnung ausrollt und alles für sie gemacht wird?
Nein, das hat sie sicher nicht erwartet. Aber sie erwartet, dass ich sie unterstütze, immerhin bin ich der, der das Geld in der Beziehung verdient hat und damit bin ich auch verantwortlich, dass sie nach der Trennung nicht mittellos ist. Wäre ich mit ihr verheiratet gewesen, dann wäre ich dazu sogar verpflichtet.
Sie scheint Dich aber insofern gut genug zu kennen, daß sie weiß, welche Knöpfe sie bei Dir drücken muss, um das zu erreichen, was sie will.
Nein nicht so richtig. Ja, natürlich weiß sie, was sie tun muss, um von mir bestimmte Reaktionen zu bekommen. Aber wenn sie mich wirklich kennen würde, dann hätte sie noch sehr viel mehr Möglichkeiten. Ich schaffe es ja auch schon erfolgreich, ihr seit einigen Tagen aus dem Weg zu gehen, obwohl sie mir ständig über den Weg zu laufen versucht. Tja, würde sie nur einige Sachen anders machen, dann wäre ich immer noch Wachs in ihren Händen. So kann ich ihr wenigstens fern bleiben.
Es tut mir leid, wenn meine Worte hart ausfallen, aber ich wünschte, Du würdest nicht immer nur auf sie kucken, sondern anfangen, an Dich selbst zu denken als einen Menschen, der es wert ist, für sich selbst einzustehen und zu handeln. Und damit verletzt Du sie nicht, sondern Du sorgst damit für Dich. Die Tränen, die Du dann vielleicht bei ihr siehst, sind dann nicht etwa ihre Verletzung, sondern vielmehr die Enttäuschung darüber, nicht das zu bekommen, was sie möchte.
Ich weiß nicht, ob ich ihre Tränen ertragen kann, schon gar nicht, wenn ich sie verursache. Ich habe immer versucht, genau das zu vermeiden, waren doch so viele Tränen in ihr, die andere verursacht haben. Immer wieder.
Nein, Deine Worte fallen nicht hart aus. Nicht mal annähernd. Und sie erreichen mich auch genau da, wo sie gedacht sind. Sie berühren mich, meinen Geist, mahnen mich zum Denken. Und doch sehe ich immer wieder diese tiefe Schuld in mir, dieser Schmerz alles, was mein Leben ausmachte, zerstört zu haben.
Manchmal denke ich, die Schmerzen, die Du spürst, sind nicht ihre Verletzungen, sondern sie sind vielmehr die Angst, für Dich einzustehen und zu handeln. Und das würde ich Dir so sehr wünschen.
Ja, da magst Du recht haben. Ich bin einfach am Ende. Ich kann nicht mehr weiter, ich habe nur noch Schmerzen. Jeder weitere Tag martert mich, etwas zerfrisst mich von innen.
Und das war auch das, wofür ich sie so sehr geliebt habe. Ich brauchte niemanden, der Meine Wohnung aufräumt. Ich brauchte niemanden, der arbeiten geht, Geld verdient. Ich brauchte niemanden, der Dinge tut, die ich nicht selbst auch tun kann. Auch wenn ich es schön gefunden hätte, wenn sie all das gemacht hätte.
Aber ich brauchte jemanden, der an meiner Seite steht. Der mir sagt, dass alles in Ordnung ist, wenn die Finsternis sich durch meine Seele frisst. Der meine Hand hält, wenn ich zitternd von Panik auf dem Bett liege. Der mir sagt, dass ich nicht allein bin, wenn die Welt zu groß wird, plötzlich über mir zusammenstürzt. In diesen seltenen Momenten habe ich sie gebraucht. Wirklich gebraucht. Und ich brauchte das schöne Gefühl zu hause zu sein. Heim zu kommen, ein liebes Gesicht zu sehen, Abends auf der Terasse zu sitzen, mit einem Glas Wein, in die Sterne zu schauen, die Sternschnuppen zu zählen, die Wolken am Himmel zu sehen und ihre Formen zu deuten, dem gewaltigen Lichtspiel eines nahen Gewitters zu verfallen. Das alles war es, das mich glücklich machte, das alles war es, was sie mir gab. Und noch viel mehr. Einfach ein großartiger Mensch.
lostsouls