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Was heißt Fachkräftemangel? [/h]
Zunächst sollen die verschiedenen Begriffe
Arbeitskräftemangel,
Fachkräftemangel und
Fachkräfteengpass oder
Fachkräftelücke geklärt werden. Jeder Begriff hat seine eigene Bedeutung und beschreibt ein anderes Phänomen. Auf dem Arbeitsmarkt trifft das Arbeitsangebot der Arbeitnehmer auf die Arbeitsnachfrage der Arbeitgeber.
Von einem
Arbeitskräftemangel kann gesprochen werden, wenn die Arbeitsnachfrage dauerhaft über dem Arbeitsangebot liegt. Das würde bedeuten, dass Betriebe mehr Stellen zu besetzen haben als Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Betriebe würden dann beispielsweise auf Stellenausschreibungen keine oder nur wenige Bewerbungen erhalten. Als Arbeitskräfte werden, unabhängig von ihrer Qualifikation, alle arbeitsfähigen Personen bezeichnet. Davon abzugrenzen sind die Fachkräfte, worunter Personen verstanden werden, die eine anerkannte akademische Ausbildung oder eine anerkannte mindestens zweijährige Berufsausbildung absolviert haben. Auch wenn rein rechnerisch die gesamtwirtschaftliche Arbeitsnachfrage durch das zur Verfügung stehende Angebot gedeckt wird, kann es trotzdem zur Mangelsituation kommen. Von einem
Fachkräftemangel kann dann gesprochen werden, wenn die Nachfrage nach Fachkräften über einen längeren Zeitraum nicht mehr ausreichend gedeckt werden kann. Ein Fachkräftemangel kann die gesamte Wirtschaft betreffen, was jedoch sehr selten ist, oder sich nur in bestimmten Regionen oder Berufsgruppen zeigen. Ein Fachkräftemangel tritt häufig nicht dauerhaft auf, sondern die Funktionsweise des Arbeitsmarktes begrenzt ihn zeitlich. Er kann auch trotz Arbeitslosigkeit vorhanden sein. Und zwar dann, wenn die Qualifikationen der Arbeitslosen nicht mit den benötigten Qualifikationen der Arbeitgeber übereinstimmen. Dann wir von einem sogenannten Mismatch (Fehlanpassung) gesprochen.
Während
Arbeitskräftemangel ohne Berücksichtigung der Qualifikationsstruktur von einem dauerhaften Mangel an Arbeitskräften ausgeht,
berücksichtigt der Terminus Fachkräftemangel die Qualifikationsanforderungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer und betrachtet einen längeren Zeitraum. Einen dauerhaften Fachkräftemangel kann es auf anpassungsfähigen Märkten eigentlich nicht geben, da Arbeitgeber ihren Bedarf ansonsten auf andere Weise decken würden (z.B. Ausweitung der Arbeitszeit) oder die Produktion verringern würden. Es wird deswegen häufig von einem Fachkräfteengpass oder einer Fachkräftelücke gesprochen. Darunter wird das vorübergehende qualitative Missverhältnis der regionalen und/oder qualifikationsspezifischen Arbeitsnachfrage mit dem zur Verfügung stehenden Arbeitsangebot verstanden.
Ein
Fachkräftemangel oder Fachkräfteengpass kann sich auf unterschiedliche Weise bemerkbar machen. Es können in bestimmten Branchen mehr offene Stellen als Bewerber vorhanden sein oder die Vakanzzeit, also die Dauer, bis eine Stelle neu besetzt wurde, könnte sich verlängern. Ein weiteres Anzeichen für einen Fachkräfteengpass sind überdurchschnittliche Gehaltsentwicklungen in manchen Branchen, die darauf hindeuten, dass Arbeitnehmer eine bessere Verhandlungsposition haben und Arbeitgeber Arbeitskräfte halten oder durch höhere Löhne gewinnen wollen.
Während in den 70er Jahren noch über das Ende der Arbeitsgesellschaft diskutiert wurde, dominieren heute der Fachkräftemangel und die Frage, ob der Gesellschaft die Arbeitskräfte ausgehen, die Diskussion. Im Folgenden wird untersucht, ob wir für Deutschland von einem allgemeinen oder einem spezifischen Fachkräftemangel, also einem Fachkräfteengpass, sprechen können.
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Gibt es einen Mangel an Arbeitskräften?[/h]
Ob es einen Mangel an Arbeitskräften in Deutschland gibt, ist eine umstrittene Frage. Es wurde bereits angedeutet, dass es bestimmte Indikatoren gibt, die auf einen möglichen Mangel hindeuten können.
Zahl der Arbeitslosen und Zahl der gemeldeten und offenen Stellen 2000 - 2012 Lizenz:
cc by-nc-nd/3.0/de/ (bpb)
Wenn in Deutschland ein allgemeiner Arbeitskräftemangel vorliegen würde, müsste die Zahl der offenen Stellen dauerhaft über der Zahl der Arbeitslosen liegt. Es gibt keine Meldepflicht für offene Stellen, sodass der Bundesagentur für Arbeit immer nur ein Teil des gesamtwirtschaftlichen Stellenangebots bekannt ist. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung erhebt mit einer repräsentativen Betriebsbefragung quartalsweise die Zahl der offenen Stellen. Im September 2013 gab es 868.000 offene Stellen. Der Bundesagentur für Arbeit waren nur 51% dieser Stellen gemeldet (Meldequote).
Die Grafik zeigt, dass die Zahl der Arbeitslosen seit 2000 immer über der Zahl der gemeldeten und auch der offenen Stellen lag. 2012 gab es fast dreimal so viele Arbeitslose wie offene Stellenangebote am ersten Arbeitsmarkt. Von einem allgemeinen Arbeitskräftemangel in Deutschland kann also nicht gesprochen werden.
Vakanzzeiten bei Arbeitsstellen für sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse Lizenz:
cc by-nc-nd/3.0/de/ (bpb)
Ein hohes Verhältnis von offenen Stellen und Arbeitslosen schließt einen Fachkräftemangel jedoch nicht aus. Die qualifikatorischen Anforderungen der offenen Stellen könnten beispielsweise nicht mit den Qualifikationen der Arbeitslosen übereinstimmen, sodass die Stellen nicht besetzt werden können. Weiterhin könnten die offenen Stellen in Regionen mit besonders niedriger Arbeitslosigkeit vorhanden sein, während die Arbeitslosen in anderen Regionen wohnen. Informationen darüber veröffentlicht die Bundesagentur für Arbeit monatlich in ihrer
»Engpassanalyse«. Dabei wird die so genannte Vakanzzeit nach Berufsbereichen und Bundesländern betrachtet. Die Vakanzzeit misst die Dauer vom gewünschten Besetzungstermin eines Stellenangebots bis zur "Erledigung" durch Vermittlung, anderweitige Besetzung oder Stornierung. Im Jahr 2012 lag die jahresdurchschnittliche Vakanzzeit bei 77 Tagen und hat sich im Vergleich zum Vorjahr um 13 Tage erhöht (2011 64 Tage). Mit Ausnahme der Wirtschaftskrise 2009/10 sind die Vakanzzeiten in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Auch die Zahl der Stellen, die über drei Monate vakant waren, ist in den letzten Jahren gestiegen und lag im Jahr 2012 bei 29,5 Prozent.
Lange Vakanzzeiten signalisieren Probleme bei der Besetzung von Stellen müssen aber noch keinen Fachkräftemangel bedeuten, da die Stellenbesetzungsprobleme auch andere Gründe haben können. Von einem Fachkräftemangel oder Engpass wird erst dann gesprochen, wenn die Besetzung freier Arbeitsstellen deutlich länger dauert als "üblich" oder als von den Betrieben für vertretbar gehalten wird. Als unübliche hohe Vakanzzeiten gelten Werte von 40 Prozent über dem Durchschnitt und eine Zunahme um 10 Tage gegenüber dem Referenzjahr. Die Bundesagentur für Arbeit sieht in ihren Statistiken aktuell keinen flächendeckenden Fachkräftemangel. Werden jedoch einzelne Berufsbereiche und Regionen betrachtet, stellt sich die Situation teilweise anders dar.
Fachkräftemangel | bpb