Nordrheiner,
ja, in der Tat, wird das Wort "Schuld" nicht gerne gehört.
"Schuld" bedeutet Verurteilung:
"Du bist schuld!" "Du hast Schuld!"
Niemand hat gerne "Schulden". Schuld hat mit Macht zu tun. Das Kind erfährt bereits "Schuld" als ein Verhältnis von "oben" und "unten". "Weil ich schuldig bin, darf Papa mich bestrafen".
Sage ich: "Du bist schuld, dass...", weise ich einem Menschen eine Verantwortung zu, die er vielleicht gar nicht tragen kann und ich erhebe mich damit zugleich zum Richter. Einer ist "oben", der Andere "unten".
Diejenigen aber, die oben sind oder sich oben wähnen, lassen den Vorwurf der Schuld, des Schuldigseins gar nicht erst an sich heran.
Oft wird ein solches Verhalten zementiert und festes Muster in Beziehungen, setzt die Einen immer nach oben, die anderen nach unten. Vergebung erscheint uns als Lösung, allerdings finde ich das auch problematisch, weil Vergebung auch etwas Gönnerhaftes hat. Der, der vergibt, kann Vergebung "gewähren", muss es aber nicht.
Der, der Vergebung erfährt, braucht sie aber, um mit dem Gegenüber und sich selbst ins Reine zu kommen.
Theologisch übrigens ein interessantes Thema.
Was nützt es dem Glaubenden, der sich auf die Vergebung Gottes beruft, berufen kann, aber erfährt, dass die Menschen ihm nicht vergeben?
Reicht es aus, dass Gott einem Menschen vergibt, ohne dass die Menschen, an denen ich schuldig geworden bin, mir vergeben?
Jesus bezieht dazu klar Stellung, aus der ich entnehme, dass die Vergebung durch Gott allein nicht hinreichend ist und ich mich um einen Ausgleich, um die Vergebung meines Gegenübers bemühen muss.
Wie aber reagiere ich, wenn mein Gegenüber mir diese verweigert?
Mehr Fragen als Antworten.
Burbacher
Zur Fortsetzung – mit Bezug auf den Beitrag Nr. 10 von Burbacher:
Schuld hat auch etwas mit Macht zu tun? Nein, ich denke, Schuld hat nicht nur etwas, sondern sehr viel mit Macht zu tun. Zunächst gibt es in der Schuld eine der Schuld eigene Macht. Nehmen wir mal an, X nimmt ein Darlehen für seine Hausfinanzierung auf. Damit unterwirft er sich den Regeln, die mit der Darlehensschuld verbunden sind. Auch wenn er es nicht als solches empfindet, weil er sein Haus geniesst, so wird er doch über viele Jahre geknechtet, der Schuld zu dienen. Früher nannte man das Dienstbarkeit.
Herr X geniesst den Zustand, den er durch Verschuldung bewirkt hat. Er sieht mehr die Vor- als Nachteile. Das ändert sich, sobald er z.B. aufgrund von Arbeitslosigkeit seine Schulden nicht mehr bedienen kann. Jetzt zeigt sich die wahre Macht seiner Verschuldung. Er wird weiterhin geknechtet und wenn er keine Lösung findet, seine Schulden zu bedienen, wird er nicht nur sein Haus verlieren, sondern es droht ihm auch noch eine darüberhinaus gehende Verschuldung. Banken, das wissen wir, tragen im Grundbuch – für den Fall der Darlehenskündigung (die der Schuldner zu vertreten hat) – einen Zinssatz von 18% p.a. ein.
Wie zynisch lächerlich ist das denn, wenn wir uns vor Augen halten, dass der Darlehensnehmer in seinem Darlehensvertrag einen günstigen Zinssatz von z.B. nur 2% p.a. vereinbarte? Um Euch das mal plastisch vor Augen zu führen: Ein Darlehen von 100.000 € mit 2% p.a. verzinst, wird in 20 Jahren vollständig getilgt, wenn der Anfangstilgungssatz 4,0706% p.a. (als gleichbleibendes Annuitätendarlehen = Zinsen sinken und im gleichen Verhältnis steigen die Tilgungen) beträgt. Also die monatliche Belastung bleibt immer gleich.
Nach 2 Jahren besteht eine Restschuld von rd. 92.053 €. Herr X hat also schon rd. 8.000 € getilgt. Würde er jetzt seine Arbeit verlieren, berechnet die Bank auf seine Restschuld 18% p.a. Zinsen. Die monatlichen Zahlungen reichen nicht mehr aus, auch nur die Zinsen zu bezahlen. Schon nach 2 Jahren – wenn bis dahin das Haus verkauft werden sollte – steht die Gesamtschuld bei 115.376 €. (Nach Ablauf der Gesamtzeit bei über 1,4 Mio. €).
Daran will ich sichtbar machen, dass sich Schulden erhöhen, wenn sie nicht mit Zinsen abgetragen werden. Das kann man als Schuldenfalle bezeichnen.
Derjenige, der bestimmt, ob und wie Schulden abgetragen werden, hat es in der Hand und bestimmt, ob der Schuldenstand gleich bleibt, ob sich die Schulden erhöhen oder ob sie als abgetragen gelten. Wenn wir uns verschulden, geben wir dem Anderen Macht über uns.
Und da ist Burbachers 2. Teil seines Beitrages interessant – siehe obiges Zitat:
Menschen können nicht nur hartherzig sein, sie sind es oft auch. Und Du, liebe Schwarze Seele, hast eine Hartherzigkeit Dir gegenüber entwickelt. Du lässt Dich aus Deinen Schulden nicht herauskommen. Als Darlehensnehmerin würdest Du noch von Dir verlangen, Zins und Tilgung zu bezahlen, selbst wenn die Bank den Darlehensvertrag bei vorhandener Zahlungsunfähigkeit zerreißen würde.
Um aus den Schulden zu kommen, benötigen wir entweder das Vermögen zu bezahlen – und im Falle, dass das Vermögen nicht ausreicht – die Vergebung des Anderen.
Aber was ist, wie Burbacher zu recht fragt, wenn wir die Vergebung nicht erlangen? Der Andere besteht auf seinem Recht der Bezahlung, der Schuldentilgung, gerade angesichts unseres Unvermögens?
Ich stimme Dir, Burbacher zu, daß es zunächst darum geht, eigene Schulden zu tilgen. Aber was ist, wenn ich mit meinen Fähigkeiten, mit meinem Vermögen an meine Grenzen stoße?
Wenn ein Privatmann nicht mehr bezahlen kann, geht er ggf. in die Privatinsolvenz. Das hat zur Folge, dass er sich z.B. 6 Jahre lang bemühen muß, zur Schuldentilgung beizutragen. Danach aber – wird er vom Insolvenzgericht frei gesprochen. Egal wie hoch seine Schulden noch sein mögen – er ist frei von allen Schulden.
Ich denke, lieber Burbacher, das ist in etwa das, was im NT mit Vergebung seitens Gottes gemeint ist. Es ist völlig egal, was Gläubiger fordern. Wenn das Insolvenzgericht frei spricht, dann sind alle Schulden Kraft und Macht des über allem stehenden Gesetzgebers getilgt.
Die bedingungslose aber zwingend erforderliche Voraussetzung für ein Zerreissen aller Schulden ist, dass der Schuldner seine Insolvenz anmeldet. Das bedeutet: Er muß sich zu seinen Schulden bekennen und sein (teilweise oder gänzliches) Bemühen erklären, die Schulden nicht aus eigener Kraft tilgen zu können.
Tut er es nicht, werden aus einer Anfangsschuld von 100.000 € auch bei zwischenzeitlich erfolgter Teiltilgung ein Schuldenberg, der bis zu über 1,4 Mio. € anwachsen kann.
Und, liebe schwarze Seele, Du scheinst mir einem Mann (einer Frau?) zu gleichen, der/die sich verschuldet hat und nicht weiß, dass jeder Schuldbrief (Darlehensvertrag) zerrissen wird, wenn Insolvenz angemeldet wird. Das Zerreissen steht nicht in Deiner Macht, auch nicht in der Macht Deiner Gläubiger. Das Zerreissen jeglicher Schuld steht in der Macht dessen, der über allen Gläubigern steht. Jede weitere Zahlung auf einen zerrissenen Schuldbrief ist überflüssig, unklug, mal ganz vorsichtig ausgedrückt. Oder, wie siehst Du, schwarze Seele, das?
LG, Nordrheiner