Dass der 23-jährige Master kaum Kundengespräche führen kann, ist aber auch hausgemacht. Früher, zu Diplomzeiten, gehörte es fast zum guten Ton, etwas länger zu studieren und währenddessen seine Persönlichkeit bei diversen Hochschulvereinen (oder sonstigen Hobbys) zu stärken. Dann war man zwar 25+, bis man sein Diplom zusammengekratzt hatte, aber auch psychisch gefestigt und gewachsen.
Das heutige Hochschulsystem gibt dazu jedoch keine Zeit mehr. War die Regelstudienzeit früher noch eher so etwas wie Mindeststudienzeit, soll man sein Studium heute gefälligst innerhalb dieser Zeit absolvieren. Für jedes Semester extra muss man sich in der Wirtschaft rechtfertigen. Wenn die Uni einen nicht gleich ganz rauswirft, weil man 3 Semester zu viel gebraucht hat. Da ist es doch kein Wunder, dass jeder nur noch versucht, irgendwie seine Credit Points zusammenzusammeln, für den Blick über den Tellerrand bleibt leider keine Zeit. Die Persönlichkeitsbildung wird dann auf die Zeit nach dem Studium vertagt. Wer 21-jährige jugendliche Bachelors bestellt, kriegt eben auch solche geliefert.
Am aktuellen System sehe ich es als Problem, dass die Regierung sich aber auch nicht entscheiden kann, was sie will und es vor allem auch bezahlen.
Denn ein System wie Gemeinschaftsschule kann funktionieren. Wenn man genug Geld dafür ausgibt. Denn dann kann man gezielt Förderkurse anbieten, in denen man entweder gefördert wird, weil man superschlecht in Mathe ist und daher Extrahilfe braucht, oder auch weil man supergut in Mathe ist und dieses Talent gefördert werden soll. Man könnte schon prima ab Klasse 4 eine Art Kurssystem machen, in welchem die Schüler je nach Begabung für dieses Fach in einen einfacheren oder schwereren Kurs gesteckt werden. Aber das würde Geld kosten. Und ich habe so den Eindruck, dass die Regierung mit dem Gesamtschulsystem eher Geld sparen will. Etwa, um vollere Klassen zusammenzukriegen, anstatt an jeder Schulform je eine Klasse à 14 Schüler zu haben. Nur wenn man spart, klappt es nicht. Und dann ist es kein Wunder, wenn möglichst viele Eltern ihre Kinder nach Möglichkeit aufs Gymnasium packen. Mit der Folge, dass dort das Niveau sinkt (haufenweise Schüler dabei psychisch erkranken, weil Schule zu schwer) und die Gesamt/Hauptschule als Resterampe gilt, weil hier dann die leistungsstärkeren Schüler fehlen, die den schwächeren als Zugpferde dienen.
Alternativ kann man auch das dreigliederige System wieder stärken. Dann sollte man jedoch wieder das Zulassungssystem einführen, sprich, wer aufs Gymnasium will, braucht entweder die Empfehlung dazu oder muss einen Aufnahmetest bestehen. Dasselbe für die Realschule. Und den Stoff an allen Schulformen, vor allem am Gymnasium, rigoros durchpauken (wurde an meiner Schule gemacht, die Abiturprüfungen waren für uns dann ein Klacks, allerdings ging von Klasse 5-13 ein ganzes Drittel der Schüler verloren).
Eine komplette Ausbildung für ein Studium würde ich nicht unbedingt vorschreiben. Wohl aber sowas wie Aufnahmetests. Mit erreichen der Hochschulreife soll ja eigentlich bescheinigt werden, dass der Schüler reif genug ist, an einer Uni zu studieren und sich Stoff selber anzueignen. Da wäre es doch zumutbar, mir in Eigenstudium ein klein wenig Basiswissen (auch außerhalb von Schulstoff) für den Aufnahmetest anzueignen. Wer sich wirklich für ein Fach interessiert, sollte dies schon aus Eigeninteresse ("ich will da was lernen") machen.
Bei einem Aufnahmetest für Informatik etwa könnte man Matheaufgaben vorschreiben (wer weder eine Ableitung bilden, noch mit Vektoren und Matritzen rechnen kann, dreht am besten gleich wieder um). Ebenso sollte man davon ausgehen, dass der Möchtegernstudent sich zumindest so weit für Programmierung interessiert, dass er sich schon mal selbstständig ein Tutorial einer beliebigen Programmiersprache angeschaut hat (wen es gar nicht interessiert, ist ebenso falsch), sodass er einfache Aufgaben in Pseudocode lösen kann (muss formal gar nicht richtig sein, es geht um die logische Denkweise). Bei Fächern wie Medizin kann man Bio/Chemie und einfachste lateinische Fachbegriffe fragen. Wer den Aufnahmetest für Geschichte schreibt, kriegt ein paar historische Quellen ausgeteilt, muss diese lesen und eine Erörterung dazu schreiben. Das gröbste Basiswissen über diverse Epochen, welche im Unterricht drankommen, wird vorausgesetzt.
Für diese Tests kriegt man Punkte und mit seinen Testpunkten kann man sich dann bei Unis und Hochschulen bewerben (passende Ausbildungen könnte man mit Extrapunkten vergüten). Der Test kann einmal direkt wiederholt werden (auch zum Verbessern). Danach nur noch alle 3 Jahre (für die, die "nachreifen").
So könnte man sichergehen, dass nur jene den Platz kriegen, die auch die für den Bereich nötigen Voraussetzungen dafür mitbringen. Da der Test ab dem Drittversuch nur alle 3 Jahre wiederholt werden kann, verhindert man, dass zu viele einfach jedes Semester kommen (das muss schließlich alles korrigiert werden), lässt die Schranke aber offen für jene, die durchfielen, weil ihnen (noch) psychische Probleme im Weg standen oder ihnen Wissen fehlte. Die können sich dann darum kümmern oder ne Ausbildung machen und den Traum vom Studium danach nochmals probieren.