Vielleicht definieren wir erstmal was eine Wohnungsnot ist.
Das ist allerdings schwierig da der Begriff oft synonym verwendet wird und es kaum Statistiken gibt. Deswegen erfolgt die Diskussion oft persönlich und emotional, selten an Fakten orientiert.
Ich stütze mich nachfolgende auf die Aussagen von Dittmann & Drilling, 2018, S. 282–283; Gerull, 2015, S. 307; R. Lutz & Simon, 2017, S. 98; Ratzka, 2012, S. 1228:
Danach ist jemand in Wohnungsnot, der
- wohnungslos ist,
- von Wohnungslosigkeit bedroht ist oder
- in unzumutbaren Wohnverhältnissen lebt
Zu 1)
Relativ schnell wird klar, dass der Fall 1 nicht das Kernproblem ist. Es gibt zwar obdachlose Menschen, aber das sind nicht besonders viele im internationale Vergleich und es gibt ein Sozialsystem welches diesen Menschen grundsätzlich Wohnraum bezahlt.
Zu 2)
Darauf gehe im Verlauf ein. Dies umfasst imho Fälle, in denen sich Mieter steigende Mieten irgendwann nicht mehr leisten können.
Zu 3)
Dies ist für mich der zentrale Ansatzpunkt: Sind Wohnverhältnisse zumutbar?
Was ist zumutbar:
- Wenn jemand beispielsweise mit 18 noch bei seinen Eltern wohnt, weil er keine Arbeit hat oder noch in der Ausbildung ist, ist es durchaus zumutbar, dass er keine eigene Wohnung hat - auch wenn er gerne eine eigene Bude hätte.
- Wenn jemand keine Wohnung in unmittelbarer Arbeitsnähe hat und z.B. jeden Tag zur Arbeit pendeln muss
- Wenn jemand eine kleine Wohnung hat, die zwar ausreichend ist, aber er gerne eine größere hätte
- Wenn jemand gerne in eine bestimmte Wunschstadt ziehen möchte aber es nicht kann weil dort die Mieten zu hoch gemessen an seinem Einkommen sind.
Was nicht zumutbar ist:
- Wenn selbst bei bescheidenen Wohnansprüchen keine Wohnung zu finden ist, die zumindest halbwegs nahe am Arbeitsplatz ist. Also wenn jemand z.B. jeden Tag 2 Stunden und länger zur Arbeit braucht.
- Wenn jemand nach Erreichen der Volljährigkeit und mit normalen Job keine Wohnung in seiner Stadt oder dem Umfeld findet
- Wenn jemand nach Erreichen der Volljährigkeit und mit normalen Job in seiner Stadt oder dem Umfeld nur Wohnungen findet, die so teuer sind, dass er 50% und mehr seines Einkommen allein für die Miete ausgeben müsste
Nach dieser Definition gibt es eine Wohnungsnot in bestimmten deutschen Regionen. Ein offensichtliches Beispiel sei hier München genannt.
Hier sind Menschen von Wohnungsnot bedroht weil sie entweder trotz Arbeit in München, dort keine zumutbare Wohnung finden oder gemäß Definitionspunkt 2 bei steigenden Mieten davon bedroht sind, irgendwann ausziehen zu müssen.
Dies darf man aber nicht auf Deutschland verallgemeinern. Täte man das, gäbe es n jedem Land der Welt Wohnungsnot, denn jedes Land hat irgendeine extrem teure Metropolenregion (Tokyo, London, New York...).
Wichtig ist also die Betrachtung des statistischen Durchschnitts, bei Mieten heißt dieser Mietspiegel. Für Wohnungen bis 80 m² in denen Paare und kleine Familien wohnen können, liegt dieser bei 8,20 € pro Quadratmeter.
Mietspiegel für Mietpreise in Deutschland. Informieren Sie sich kostenlos über Mietpreise für Wohnungen in Deutschland bei immowelt.de.
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Das heißt für z.B. eine 70m² Wohnung müsste ein Pärchen im Schnitt 574 € ausgeben.
Die Warmmiete hält vom persönlichen Verbrauchsverhalten ab und ist schwerer berechenbar aber sagen wir mal 800 € warm.
Dem gegenüber steht ein Medianeinkommen von 44.407 € im Jahr bzw. 3.700 € im Monat brutto.
Wie viel Gehalt auf dem Konto landet, hängt stark vom Arbeitgeber ab. Studien zum Medianeinkommen zeigen: Im Jahr kann der Unterschied bei mehreren tausend Euro liegen
www.capital.de
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Auch hier unterscheidet sich das netto je nach Steuerklasse stark, aber sagen wir mal 2.400 €.
Danach würde ein durchschnittlicher Single für eine durchschnittliche 70m² Wohnung 1/3 seines Einkommen ausgeben, ein Paar gerade mal 1/6.
Natürlich dar man diese Berechnung nicht nur auf mittlere Einkommen beschränken. Auch Geringverdiener brauchen Wohnraum. Aber ich habe bewusst hier Mittelwerte gegen Mittelwerte verglichen.
Danach ist Wohnraum in Deutschland im Mittel nicht zu teuer und es gibt keine generelle Wohnungsnot.
Was es gibt, sind lokal stark unterschiedliche Preise und damit
lokale Notstände.
Hier hat aus meiner Sicht vor allem der Staat versagt.
Der Staat hat die Aufgabe, den Rahmen zu schaffen, dass Menschen möglichst überall leben können und wollen. Dazu zählen Bebauungsplanung, Infrastrukturpolitik und Bauvorschriften.
Um es plakativ zu sagen: Wenn in einer Region Mieten hoch sind, würden ja viele Investoren dort sehr gerne bauen und die Knappheit des Wohnungsmarktes senken, aber der Staat verhindert es. Er verhindert es indem er:
A) zu wenig Bebauungsfläche ausweist
B) zu wenig Bauhöhe erlaubt
C) durch zu viel Bürokratie
D) weitere Kostentreiber wie z.B. Umweltauflagen
Gleichzeitig sorgt der Staat aber aktiv für mehr Zuzug in die (teuren) städtischen lagen indem er:
A) mehr Migration fördert (und Migranten wollen praktisch immer in Ballungszentren leben)
B) die ländliche Infrastruktur vernachlässigt und junge Menschen aus "toten" Regionen weg wollen.
Einfach formuliert: Wenn ich als junger Mensch auf dem Land nicht mal schnelles Internet habe, ziehe ich dort natürlich sofort weg. Und schaut euch an wie langsam das deutsche Internet im internationalen Vergleich ist!
Der Staat sollte endlich seinen Job machen und eine vernünftige Infrastrukturpolitik machen!