Da ich aber wie gesagt in meinem alten Job nicht mehr arbeiten kann / will, ist das wohl weniger das Problem als die generelle Ahnungslosigkeit, wohin mich mein Weg führen kann und soll.
Die Hälfte der Entscheidung hast du schon getroffen, bleiben noch 50 % offen. Ist doch ein guter Schnitt, dafür, dass du noch ganz am Anfang eines neuen Lebensabschnittes stehst! 😁
Mach dich mal nicht verrückt. Geht es dir gesundheitlich besser, wirst du auch hier wieder viel klarer sehen und Entscheidungen treffen können.
Was kannst du gut?
Was macht dir Spaß?
Welche Hobbys gibt es außer Schreiben?
Sobald die Insolvenz abgewickelt ist, wäre es für mich tatsächlich das allerwichtigste erst einmal Zeit zum verschnaufen zu haben. Urlaub war im ganzen letzten Jahr praktisch nicht möglich. Die 4 Tage, die ich hatte, auch mit Videokonferenz in der Ferienwohnung und ständiger Erreichbarkeit. Das war sicher ein Fehler und mit ein Auslöser, dass es mir jetzt so geht, wie es mir geht. Daher auch meine Angst, mit Arbeitslosengeld direkt vom Amt getriezt und in einen neuen Job gedrängt zu werden, den ich überhaupt nicht will und aktuell wahrscheinlich gar nicht verkraften könnte.
Durchatmen, Auszeit, ist der beste Vorsatz, den du jetzt treffen kannst. Zieh das unbedingt durch.
Ich weiß, was man so über das Arbeitsamt hört und die können wirklich ziemlich nerven, Druck aufbauen, auch wenn es gerade kontraproduktiv ist.
Aber:
Ich habe die volle Zeit genutzt nach meiner gesundheitlichen Bauchlandung.
Weil ich diese Zeit brauchte.
Ich war vorher 'ewig' krankgeschrieben.
Und jeder einzelne Tag dieser langen Gesamtspanne war nötig, um wieder leistungsfähig zu werden.
Naja, halbwegs, der doofe Gutachter und die Ärzte haben gewonnen, ich schaffe wirklich kein Vollzeit mehr. 👿
Laaangsam beginne ich das anzunehmen.
So. Aber in der gesamten Arbeitslosigkeit wurde gesehen und anerkannt, dass ich kämpfe, mich bemühe. Dass ich WILL.
Keine einzige Maßnahme wurde auch nur angedeutet, ich musste gar nichts. Noch nicht mal Bewerbungen nachweisen. Telefonierte aber immer mal mit meiner Sachbearbeiterin, fragte etwas nach, war erreichbar: ich hielt also Kontakt. Die wussten, dass ich wirklich krank war, da ich kurzerhand meine Klinikunterlagen hingeschickt hatte, zwischendurch noch auf Reha ging. Und da ich in dieser Zeit nicht wusste, wohin gesundheitlich die Reise gehen würde, ich Zukunftsängste hatte, hörte man am Telefon auch mal meine Verzweiflung, aber auch den Kampfgeist. Vielleicht lief es deshalb bei mir mit dem Arbeitsamt, wie es lief. Da kam schon mal ein: "Jetzt machen Sie sich mal keine Gedanken, das passt schon, wichtig ist Ihre Gesundheit."
Also lass es auf dich zukommen. Da sitzen nicht nur Unmenschen.
Eine andere Zuflucht war für mich immer die Literatur, sowohl das Lesen als auch das eigene Schreiben. Das Schreibe habe ich in den letzten 10 Jahren sehr selbstdiszipliniert verfolgt, d.h. ich habe an freien Abenden oder Tagen statt vor dem Fernseher zu hängen (was ich auch tue) bei genügend Motivation mehrere Stunden geschrieben. Das habe ich immer eher als etwas schambehaftetes Hobby betrachtet und bin damit kaum nach außen getreten, auch wenn ich neben mehreren Kurzgeschichten u.a. ein Romanprojekt mit akt. 900 Seiten zusammengeschrieben habe. "Warum denkst DU, Schrifsteller sein zu können?" Gleichzeitig war aber auch immer der starke Wunsch und die Hoffnung dabei, irgendwie doch nochmal etwas berufliches damit anfangen zu können.
In der Anfangszeit der Insolvenz vor einigen Monaten habe ich immer mit dieser Hoffnung getröstet: "Wenn du das hinter dir hast, schreibst du endlich ernsthaft. Ohne Selbstzweifel. Ohne Hadern." Da ich mich aber mehr um die Insolvenz als solche als um meine eigene Zukunft geschert habe, hatte ich die naive Vorstellung, etwa ein Jahr von Arbeitslosengeld 1 zu leben, mich einige Monate ernsthaft und ohne Ablenkung am Schreiben zu versuchen und wenn das nicht klappt, immer noch einige Monate Zeit zu haben, um mir einen profaneren Broterwerb zu überlegen. Aufgrund eines spartanischen Lebenswandel wäre das verringerte Einkommen kein Problem. Allerdings habe ich mich erst vor Kurzem so richtig damit befasst, was von Amtswegen bei Arbeitslosigkeit bereits bei ALG1 auf einen zukommen kann. Das war ziemlich naiv und hat mich nach tatsächlich einigermaßen erholsamen Feiertagen nun wieder brutal ins Loch gezogen. Für mich fühlt es sich so an, als wäre mir meine Leidenschaft und damit auch meine letzte Hoffnung genommen worden, weil ich befürchte, mich bald aufgrund meiner Ausbildung auf Jobs in Branchen bewerben zu müssen, die ich aus persönliche, sozialen, ideologischen Gründe inzwischen schlicht verachte, und dem Schreiben, das ich mir zur Stressbewältigung und Erholung seit Monaten quasi selbst verboten habe, immer weiter und weiter entferne. Dass die Zukunftsaussicht "Schriftsteller werden" nicht unbedingt die risikoärmste ist und ich auch überhaupt keine nennenswerten Referenzen habe, die meinen Wunsch irgendwie "legitimieren" würden, ist mir schmerzlich bewusst. Trotzdem würde ich es so gerne versuchen.
Du schreibst super-reflektiert und da stecken einige Therapiethemen drin.
Zum Schreiben ein paar Gedanken:
Mein Prof wollte, dass ich veröffentliche. Irgendwann mache ich das vielleicht, doch vorerst bleibt es bei meiner Entscheidung dagegen. Dieser Bereich gehört mir, bleibt entspannt, ohne jeden Druck, der an mich zwangsläufig herangetragen werden würde, den ich, meiner Persönlichkeit geschuldet, zwangsläufig verspüren würde.
Hadern und Selbstzweifel sind übrigens völlig normal, habe ich mir sagen lassen.
Was ich aber für dich hierlassen möchte:
Überlege gut, ob du deine finanzielle Sicherheit, dein tägliches Auskommen, Rücklagenbildung, tatsächlich völlig von dem abhängig machen möchtest, was dir derart viel bedeutet.
Das stellt eine Last dar. Das kreiert ein "Muss". Macht aus Freude und Liebe Pflicht.
Du gingest damit das Risiko ein, dir selbst etwas zu zerstören oder beschädigen, dir dadurch etwas zu nehmen.
Ein kleiner Teilzeitjob könnte den Pflichtteil übernehmen, dann bliebe das Schreiben die Kür. Soweit meine Gedanken dazu.