Du hast etwas fromme Vorstellungen vom Zusammenleben in kleinen Gruppen
Kein Stück, habe selbst als Kind durchlebt wie Gewalt schon auf dem Schulhof ausgeübt wurde. Aber wir sprechen hier über Staatstheorie.
Da ich nicht einmal verstehe wo du meinst dass deine Darstellung der meinen widerspricht, ich je behauptet hätte Demokratie wäre keine zivilisatorische Errungenschaft oder das Fehlen von dieser wäre Freiheit, unterstellst du mir vermutlich indirekt etwas.
Kann es sein dass du Staat mit Demokratie verwechselst?
Mein Argument war:
Weniger staatlicher Eingriff wie Menschen zu leben und zu denken haben = mehr Freiheit, führt zu mehr Individualität
Offenbar machst du daraus: Weniger Staat = weniger Demokratie, für zum Recht des Stärkeren
Dieser Schluss ist falsch und von mir auch nicht behauptet worden.
Demokratie ist eine von vielen Staatsformen auf die man sich einigen kann , sofern man denn homogene Wertvorstellungen hat. Funktioniert aber eben auch nur unter diversen weiteren Voraussetzungen. Wie z.B. der Rechtsstaat, der noch über der Regierung stehen muss. Also anders als das in unserer weisungsgebundenen Justiz in Deutschland mit der Ernennung durch Richtern von der Politik der Fall ist. Deswegen ist Deutschland auch das einzige EU-Land welches keine EU-Haftbefehle rausgeben darf (siehe EU-Gerichtshof Urteil).
In dem Moment wo diese homogenen Wertvorstellungen nicht mehr gegeben sind und einzelne Gruppen anfangen einen Verteilungskampf auf Kosten der anderen zu führen wird die Demokratie und das Gewinnen von Mehrheiten zur Waffe.
Siehe Erdogan:
"Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind."
Zum Schutz der Bürger wurde, neben der Unabhängigkeit der Justiz, das Grundgesetz ersonnen. Dieses existiert als Schutz des Volkes vor einem übergriffigen Staat. Z.B. dass die Versammlungsfreiheit niemals, unter gar keinen Umständen, eingeschränkt werden darf. Oder der erste Paragraph mit der unantastbaren Menschenwürde.
Erst mit 75% oder mehr einer absoluten Mehrheit kann daran gerüttelt werden. Man muss sich als Gemeinschaft eben auf etwas einigen. Nicht der Staat überlegt sich etwas und bringt dann die Menschen auf Linie und Gruppen ringen dann um Vorteile zum Schaden der anderen.
Umgekehrt wird der Schuh draus: Die Menschen entwickeln untereinander eine Vorstellung von Kultur und Gesellschaft (deswegen ist Kunst so wichtig) und gestalten dann den Staat nach diesem Bild. Etwas das ständig in Bewegung bleibt und von äußeren (kulturellen) Einflüssen abhängig sein kann bzw. sollte. Ein ständiger Prozess, welcher laufend Anpassungen unterworfen sein sollte.
Dort wo die Menschen aber tatsächlich nicht so leben wollen wie im Westen, selbst wenn sie die Wahl haben, kommen dann eben andere Regeln dabei heraus als hier. Wichtig ist und bleibt aber dass sie immer diese Wahl haben, sollte sich die Vorstellungen im Volk eines Tages ändern.
Weswegen ich übrigens auch nach wie vor der Meinung bin dass es falsch ist wenn Deutschland versucht andere Länder zu erziehen und unsere Vorstellungen aufzuzwingen, aber das nur nebenbei bemerkt.
Wenn du anführst dass dir das, wo sich in anderen Ländern für etwas anderes entschieden wurde (so es denn freiwillig war), nicht gefällt, kann ich das nicht als Argument dafür gelten lassen den Menschen diese Entscheidungsfreiheit wie sie ihren Staat formen möchten zu nehmen.
Heißt auch nicht dass ich dort leben wollen würde. Eben weil ich mir eine andere politische Richtung und Einflussnahme der Bürger auch in unserer Gesellschaft wünsche schreibe ich ja hier.
Zurück zum Grundgesetz:
Wenn jemand sagt die Aussage eines Bürgers wäre vom Grundgesetz gedeckt, dann ist das vielleicht gut gemeint, aber schlicht falsch. Der Bürger ist der Sourverän, er muss nicht erst durch das Grundgesetz legitimiert werden. Er darf grundsätzlich sagen was er will. Von Gesetzesbrüchen mal abgesehen. Andere Behauptungen sind bewusste Fehlinterpretationen dessen was das GG ist, werden aber leider mutwillig erzeugt und medial verbreitet.
Das Grundgesetz gilt für den Staat und der Bürger kann sich darauf zum Schutz vor eben diesem berufen. Bzw. könnte es, hätten wir eine Gewaltenteilung ohne Weisungsbefugnis durch den Justizminister.
Ein Bürger darf z.B. die Äußerung von sich geben und behaupten Frauen könnten nicht einparken.
Der Staat aber darf so eine Aussage nicht zur Grundlage seiner Handlung machen, da er zur Neutralität verpflichtet ist. Entsprechend verstoßen auch Quoten gegen dass Grundgesetz.
Er darf dem Bürger auch nicht verbieten diese Aussage zu machen, siehe freie Meinungsäußerung. Auch wenn er sie selbst nicht tätigen dürfte.
Letztendlich muss sich eine Gesellschaft eine Demokratie selbst geben. Westliche Kulturen mit christlich-jüdischer Prägung halten z.B. eine Konfliktlösung ohne Gewalt für zivilisatorisch fortschrittlicher. Aus Sicht der Menschheit bzw. Geschichte eine eher exotische Ausnahmeidee. Aber solange eine entsprechende Mehrheit dies teilt kann sich eine Gesellschaft solche Regeln geben.
Grenzen stehen auch nicht im Widerspruch zur Individualität und Freiheit. Ganz im Gegenteil, sie sind das einzige was diese Attribute garantieren können. Es muss sie geben damit nicht ein von dir beschriebenes Szenario eintreten kann.
Im Idealfall hat man die Grenzen um das Land herum. Wer sie dort nicht hat braucht sie dann halt im Landesinneren, siehe Polizeistaaten wie Singapur.
Aber es macht eben einen großen Unterschied ob man diese Grenzen mit einem freiheitlichen Gedanken festlegt, nämlich ausschließlich (!) zu dem Zweck die Freiheit des einen nur dort zu begrenzen wo sie die Freiheit des anderen verletzen würde, oder ob der Staat einem vorschreibt wie man zu heizen, reisen, essen, Verträge schließen, produzieren, sich zu versammeln, medizinisch behandeln, gendern, Gruppe XY zu behandeln, ja generell zu leben hat. Siehe Social Score.
Heutzutage wird ja schon "sich angegriffen fühlen" als Argument benutzt um etwas zu verbieten. In kompletter Verleugnung objektiver Wahrheiten.
Der Staat hat schlicht den Menschen nicht vorzuschreiben wie sie zu denken haben. Meiner Ansicht nach ist es nicht einmal seine Aufgabe sie vor allen Lebensrisiken und Fehlern die man begehen kann zu schützen, manchmal kommt der Lernerfolg eben nur wenn man auf die heiße Herdplatte fasst. Das ist für mich also ebenfalls kein Grund für Einschränkungen.
Und schon gar nicht sollte er sich dafür instrumentalisieren lassen einer Gruppe Vorteile auf Kosten einer anderen Gruppe zu geben. Genau das aber erleben wir durch die immer weiter zurück gedrängte Individualität (diese wäre angeblich egoistisch) unter dem Vorwand kollektivistischen, angeblich gemeinschaftlichen, Denkens. Und wie beschrieben führt dies, aus meiner Sicht, zur vom TE beschriebenen Rücksichtslosigkeit.
Homogene Kultur bedeutet auch nicht Abschottung, wieder so ein Strohmann-Argument.
Es bedeutet dass die bestehende Gemeinschaft ein Mitspracherecht hat wer sich dort niederlässt und wer nicht. Ob man zueinander passt bzw. ob man eine Veränderung gut heißt oder eben auch nicht. Möchten die Menschen diesen Einfluss, diese Richtung, die Veränderung des Zusammenlebens, oder möchten sie diese nicht. In dem Moment wo Gegenkulturen entstehen spaltet sich die Gesellschaft in unterschiedliche Vorstellungen, bis schlimmstenfalls (aus westlicher Sicht) kein gewaltfreier Konsenz mehr gefunden werden kann.
Wenn etwas nicht funktioniert wird es von der Evolution, die mitnichten vor Kulturen halt macht, eben im Verlauf der Geschichte aussortiert.
Deswegen ist es so wichtig sich mit der Geschichte zu beschäftigen, um die Fehler nicht zu wiederholen.
Vor allem aber sprach ich von gegenseitiger Rücksichtname. Das hat was mit Höflichkeit und Respekt zu tun. Eben wie man sich das Zusammenleben vorstellt.
Es kann nicht Sinn und Zweck sein dass man selbst profanste Dinge des Zusammenlebens in Gesetzesform gießen und staatlich durchsetzen muss, weil die Menschen nicht mehr miteinander reden und die Perspektive des anderen nachvollziehen können.
Unsere Gesellschaft muss wieder zurück zu einer guten Streit- und Debattenkultur finden, mit der Konflikte möglichst gewaltfrei ausgetragen und letztendlich auch beigelegt werden können.