_vogelfrei
Sehr aktives Mitglied
Weil ich den Artikel (von April 2024, also nicht ganz aktuell) so wichtig finde und damit er nicht in meinem letzten Beitrag zwischen den anderen Texten und Artikeln untergeht, zitiere ich hier nochmal einige Passagen separat. Hier wird auch deutlich, dass selbst unter der vermeintlich so linken Ampelregierung, die das Geld mit beiden Händen für Bedürftige zum Fenster rauswirft (nicht meine Meinung), ordentlich gekürzt wurde:
"Eine der größten Stärken Deutschlands ist der soziale Zusammenhalt. Das Engagement der Zivilgesellschaft, mit gemeinnützigen Einrichtungen, Vereinen und vielen Millionen Ehrenamtlichen, wirkt wie ein Kitt für die Gesellschaft. Werden die Sozialsysteme geschwächt, geraten die zivilgesellschaftlichen Einrichtungen unter Druck: Sie sollen einerseits helfen, die größer werdende Lücke im Sozialstaat füllen. Gleichzeitig sind sie aber auch selbst häufig von Kürzungen der Fördermittel betroffen und müssen mehr Aufgaben allein mit Spenden und Mitgliedsbeiträgen stemmen. Viele Einrichtungen sind überfordert. "
"Politiker – auch demokratischer Parteien – bedienen zunehmend das Narrativ, der deutsche Sozialstaat sei zu groß; zu viele Menschen erhielten zu großzügige Leistungen. Der Bundeskanzler hat im Oktober 2023 angekündigt, im großen Stil ausreisepflichtige Geflüchtete abzuschieben. Das Asylbewerberleistungsgesetz wurde von 18 auf 36 Monate verlängert und somit finanzielle und nicht finanzielle Leistungen wie Gesundheitsvorsorge für Geflüchtete gekürzt. Viele Bundesländer führen eine Bezahlkarte ein, um Geflüchteten weniger Autonomie bei der Verwendung ihres Geldes zu geben. Die Erhöhung des Bürgergelds um 62 Euro wird von manchen als ungerechtfertigt bezeichnet, obwohl Menschen mit geringen Einkommen viel stärker von der hohen Inflation bei Lebensmitteln und Energie betroffen sind und diese Steigerung nicht die zusätzlichen Kosten abdeckt. "
"Nun will die Bundesregierung die Sanktionen gegen "Totalverweigerer" beim Bürgergeld verschärfen. Dies betrifft zwar nur eine sehr kleine Minderheit von weniger als einem Prozent aller Beziehenden und dürfte kaum finanzielle Einsparungen bringen. Aber auch dieses Beispiel zeigt, dass sich zunehmend ein Narrativ der sozialen Hängematte und zu großzügiger Sozialleistungen durchsetzt — obwohl es beispielsweise deutlich weniger Arbeitslose und Bürgergeldbeziehende als vor 10 oder 20 Jahren gibt."
"Eine logische Konsequenz geringerer sozialer Leistungen ist, dass sich mehr Menschen stärker auf die Zivilgesellschaft verlassen müssen. Dies führt in den meisten Fällen dazu, dass bei begrenzten Ressourcen die Bedürfnisse der Betroffenen schlechter abgedeckt werden können und deren Not zunimmt. Der Populismus derer, die gegen vermeintlich zu großzügige Sozialleistungen wettern, führt zudem zu einer zunehmenden Stigmatisierung von Armut und Bedürftigkeit. (...) Der Druck auf die Zivilgesellschaft und seine vielen Ehrenamtlichen nimmt dadurch zu und führt zu Verteilungskämpfen. "
"Dabei ist es ganz explizit nicht Aufgabe gemeinnütziger Institutionen wie den Tafeln, den Sozialstaat zu ersetzen. "
"Der politische Angriff auf die Sozialsysteme ist Sprengstoff für den sozialen Zusammenhalt. Die Politik nimmt mit ihrem Kurs in Kauf, dass immer mehr Menschen immer stärker abhängig von ehrenamtlicher Unterstützung werden. Damit drängt der Staat die Zivilgesellschaft nicht nur in eine Rolle, die ihr nicht zukommen sollte, sondern höhlt eine der großen Stärken unseres Gesellschaftsvertrags und der sozialen Marktwirtschaft aus. Auch aus diesem Grund sollten Politiker ihren Populismus gegen den Sozialstaat beenden. "
Der Autor des Artikels ist ein deutscher Ökonom, Politikberater und Professor für Makroökonomie an der Humboldt-Universität zu Berlin
"Eine der größten Stärken Deutschlands ist der soziale Zusammenhalt. Das Engagement der Zivilgesellschaft, mit gemeinnützigen Einrichtungen, Vereinen und vielen Millionen Ehrenamtlichen, wirkt wie ein Kitt für die Gesellschaft. Werden die Sozialsysteme geschwächt, geraten die zivilgesellschaftlichen Einrichtungen unter Druck: Sie sollen einerseits helfen, die größer werdende Lücke im Sozialstaat füllen. Gleichzeitig sind sie aber auch selbst häufig von Kürzungen der Fördermittel betroffen und müssen mehr Aufgaben allein mit Spenden und Mitgliedsbeiträgen stemmen. Viele Einrichtungen sind überfordert. "
"Politiker – auch demokratischer Parteien – bedienen zunehmend das Narrativ, der deutsche Sozialstaat sei zu groß; zu viele Menschen erhielten zu großzügige Leistungen. Der Bundeskanzler hat im Oktober 2023 angekündigt, im großen Stil ausreisepflichtige Geflüchtete abzuschieben. Das Asylbewerberleistungsgesetz wurde von 18 auf 36 Monate verlängert und somit finanzielle und nicht finanzielle Leistungen wie Gesundheitsvorsorge für Geflüchtete gekürzt. Viele Bundesländer führen eine Bezahlkarte ein, um Geflüchteten weniger Autonomie bei der Verwendung ihres Geldes zu geben. Die Erhöhung des Bürgergelds um 62 Euro wird von manchen als ungerechtfertigt bezeichnet, obwohl Menschen mit geringen Einkommen viel stärker von der hohen Inflation bei Lebensmitteln und Energie betroffen sind und diese Steigerung nicht die zusätzlichen Kosten abdeckt. "
"Nun will die Bundesregierung die Sanktionen gegen "Totalverweigerer" beim Bürgergeld verschärfen. Dies betrifft zwar nur eine sehr kleine Minderheit von weniger als einem Prozent aller Beziehenden und dürfte kaum finanzielle Einsparungen bringen. Aber auch dieses Beispiel zeigt, dass sich zunehmend ein Narrativ der sozialen Hängematte und zu großzügiger Sozialleistungen durchsetzt — obwohl es beispielsweise deutlich weniger Arbeitslose und Bürgergeldbeziehende als vor 10 oder 20 Jahren gibt."
"Eine logische Konsequenz geringerer sozialer Leistungen ist, dass sich mehr Menschen stärker auf die Zivilgesellschaft verlassen müssen. Dies führt in den meisten Fällen dazu, dass bei begrenzten Ressourcen die Bedürfnisse der Betroffenen schlechter abgedeckt werden können und deren Not zunimmt. Der Populismus derer, die gegen vermeintlich zu großzügige Sozialleistungen wettern, führt zudem zu einer zunehmenden Stigmatisierung von Armut und Bedürftigkeit. (...) Der Druck auf die Zivilgesellschaft und seine vielen Ehrenamtlichen nimmt dadurch zu und führt zu Verteilungskämpfen. "
"Dabei ist es ganz explizit nicht Aufgabe gemeinnütziger Institutionen wie den Tafeln, den Sozialstaat zu ersetzen. "
"Der politische Angriff auf die Sozialsysteme ist Sprengstoff für den sozialen Zusammenhalt. Die Politik nimmt mit ihrem Kurs in Kauf, dass immer mehr Menschen immer stärker abhängig von ehrenamtlicher Unterstützung werden. Damit drängt der Staat die Zivilgesellschaft nicht nur in eine Rolle, die ihr nicht zukommen sollte, sondern höhlt eine der großen Stärken unseres Gesellschaftsvertrags und der sozialen Marktwirtschaft aus. Auch aus diesem Grund sollten Politiker ihren Populismus gegen den Sozialstaat beenden. "
DIW Berlin: Schluss mit dem Populismus gegen den Sozialstaat
Am Ende trifft es die Tafeln: Die Angriffe auf den Sozialstaat erhöhen den Druck auf all jene, die sich engagieren. Die gesellschaftlichen Folgen könnten verheerend sein. Eine der größten Stärken Deutschlands ist der soziale Zusammenhalt. Das Engagement der Zivilgesellschaft, mit gemeinnützigen...
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Der Autor des Artikels ist ein deutscher Ökonom, Politikberater und Professor für Makroökonomie an der Humboldt-Universität zu Berlin