Der Regelfall ist, dass jemand Vollzeit arbeitet - und dann ist wie du selber sagst der Lohnabstand zu Hartz 4 schon sehr deutlich.
Ja, er wird allerdings noch wesentlich größer mit dem Grundeinkommen.
Hat jemand einen Minijob hat er bei Hartz 4 100€ + 20% vom übersteigendem Einkommen Freibetrag. Er kann sich also mit sehr wenigen Arbeitsstunden im Monat 100 € und mehr hinzuverdienen.
Die Zahlen stimmen und sind mir auch bestens bekannt - schon seit Jahren! 100 Euro Freibetrag gibt es bei Hartz IV für Hinzuverdienste. Die ersten 100 Euro lohnen sich also richtig, da sie nicht auf den Transfer angerechnet werden und erhöhen voll das verfügbare Einkommen. Aber oberhalb davon schlägt die massive Transferentzugsrate von 80% zu, so daß Mehrverdienst das verfügbare Einkommen nur um 20% davon erhöht. Das gilt bis 1.000 Euro. Ab dann beträgt die Transferentzugsrate sogar 90% - nur noch die restlichen 10% erhöhen das verfügbare Einkommen. Das ist sehr leistungsfeindlich! Auf Initiative der FDP wurde zur Zeit der schwarz-gelben Koalition die Grenze zwischen 80% und 90% Transferentzugsrate von 800 Euro auf 1.000 Euro erhöht. Mehr war die Union nicht bereit der FDP zuzugestehen. Es erschien der Union als zu teuer.
Mit deinem Beispielfall dass jemand genau 100 Stunden im Monat zum Mindestlohn arbeitet, hast du bewusst das unwirtschaftlichste Beispiel errechnet, was vermutlich auf weniger als 1% aller Menschen zutrifft.
Stimmt, da gebe ich Dir Recht. Das ist ein Extrembeispiel und trifft nur auf wenige Personen zu. Deshalb bin ich ja auch auf Dein Beispiel eingegangen mit den 2.000 Euro Bruttolohn. Und auch hier ist der Lohnabstand zwar nicht mehr 12 x so hoch wie in dem Extrembeispiel. Aber immer noch etwa 2 x so hoch. Immer noch eine Menge mehr als heute.
Dennoch (und das möchte ich ausdrücklich sagen) gebe ich dir hier teilweise Recht. Es besteht teilweise nur ein geringer Vorteil von Menschen in schlecht bezahlten Berufen gegenüber Hartz 4 Empfängern.
Gut. Da sind wir uns ja einig. Das muß geändert werden im Sinne der Leistungsgerechtigkeit und der Verstärkung materieller Arbeitsanreize.
Aber du sagst bei der Argumentation für das BGE ja ausdrücklich, dass Menschen freiwillig nichtfinanzielle Arbeit wahrnehmen würden.
Sagst beim aktuellen System aber gleichzeitig, dass Menschen zu wenig motiviert sind um schlecht bezahlte Arbeit zu machen.
Also für wenig Geld wollen sie nicht arbeiten, aber umsonst würden sie?
Das mag Dir zunächst wie ein Widerspruch erscheinen, ist aber bei näherer Betrachtung gar keiner: Es handelt sich um jeweils unterschiedliche Tätigkeiten. Das heißt, es sind bestimmte Tätigkeiten nichtfinanziell motiviert. Und andere wiederrum sind finanziell motiviert. Und es handelt sich außerdem auch um unterschiedliche Menschen. Die Motivationsstruktur unterscheidet sich bei den verschiedenen Menschen ganz erheblich voneinander. Also bitte nicht alles in einen Topf rühren!
Es gibt Menschen, die sind stark materiell motiviert und machen fast alles nur für ordentlich Kohle (Erwerbstätigkeit, Beamtentätigkeit, unternehmerische Tätigkeit und Geldanlage). Damit können sie sich dann einen PS-starken und sehr schnellen Sportwagen leisten und auch ansonsten einen gehobenen Lebensstandard. Und es gibt Menschen, denen reicht ein einfacher, jedoch sicherer Lebensstandard materiell aus. Diese Menschen sind in der Regel sozial engagiert. Sie helfen gerne anderen Menschen. Das macht ihnen Freude, das gibt ihrem Leben Sinn, dafür bekommen sie Dank und Anerkennung, die sie sehr schätzen und diese Tätigkeiten entsprechen natürlich auch ihren Fähigkeiten und Begabungen, die sie von Natur aus haben.
Also: Kein Widerspruch, sondern unterschiedliche Tätigkeiten und unterschiedliche Menschen. Es ist daher wichtig, genau hinzuschauen!
Ich halte das nicht nur für widersprüchlich sondern für vollkommen utopisch. Menschen streben nach Vorteilen. Auch mit einem BGE würden Menschen Arbeit nur machen, wenn diese auch bezahlt wird.
Selbstverständlich streben Menschen nach Vorteilen. Teils sind es materielle (mehr Geld), teils nichtmaterielle (Freude an der Tätigkeit, Sinnstiftung für das eigene Leben, Anerkennung von anderen. Aber auch Einsicht in die Notwendigkeit bestimmter Tätigkeiten und Vermeidung von Langeweile und Sinnlosigkeit motivieren Menschen. Hierbei geht es nicht um die Erreichung von Vorteilen, sondern um die Vermeidung von Nachteilen (Unterschied zwischen positiver und negativer Leistungsmotivation))
Und warum sollte sie auch nicht bezahlt werden? Wenn Menschen etwas für die Gesellschaft tun, sollten sie dafür entlohnt werden!
Ich habe gar nichts dagegen, dass Menschen besser entlohnt werden für die Erwerbstätigkeit. Und das wird auch mit dem BGE geschehen. Es ist aber nicht möglich, alle Tätigkeiten zu entlohnen. Dafür gibt es nicht genug Geld. Und es ist ja auch dann nicht notwendig, wenn man für eine Tätigkeit nichtfinanziell motiviert ist, denn dann will man ja gar nicht Geld verdienen mit dieser Tätigkeit, sondern etwas anderes erreichen, was nichts mit Geld zu tun hat.
Letztes Jahr im August habe ich mich auf der Rückfahrt von meiner ersten Corona-Impfung mit einem Taxifahrer hier in Köln unterhalten. Ein netter älterer Herr. Ich habe ihm gesagt dass man mit Geldanlage eine Menge verdienen kann. Er sagte, dass er das nicht braucht. Er ist zufrieden mit seinem Einkommen und braucht auch keinen Sportwagen und keine Luxuslimousine. Ihm reicht das was er hat.
Manch anderer aber kann gar nicht genug Kohle haben und will immer mehr. Die Menschen sind eben unterschiedlich.
Zum Thema Grundeinkommen und Utopie schreibe ich gleich noch etwas in einem anderen Beitrag. Es wird Dich bestimmt überraschen.
Deine Denkweise erinnert mich an Star Trek - einer Welt in der Menschen nicht mehr nach Gewinn streben, sondern nur noch nach persönlicher Weiterentwicklung. In Star Trek gibt es auch kein Geld mehr. Aber das ist Science Fiction. Arbeit, Geld und co. sind feste und wichtige Bestandteile jeder menschlichen Wirtschaft um Ressourcen zu verteilen und Güter zu produzieren.
Das stimmt. Star Trek ist aus heutiger Sicht völlig utopisch. (Mir ist übrigens der Zusammenhang zwischen Star Trek und Leben ohne Geld und damit auch Motivation ohne Geld sehr bewußt. Da habe ich auch schon öfter drüber nachgedacht).
Nun spielt Star Trek allerdings in einer fernen Zukunft im 23. Jahrhundert - irgendwann zwischen 2233 und 2263 (die neuen Filme). Das sind mehr als 200 Jahre in der Zukunft. Beim ersten Film (1979) werden es wohl über 250 Jahre sein. Auf die Schnelle finde ich leider keine genauen Infos darüber wann er spielt. Und in 200 bis 250 Jahren ist es durchaus möglich, dass sich die Motivationsstruktur der Menschen so verändert, dass Geld als Motivationsgrundlage entbehrlich wird. Derzeit geht das natürlich nicht. Und wenn es so käme, bräuchte es viele Zwischenschritte bis dahin. Das ist mir völlig klar.
Das Grundeinkommen könnte ein erster solcher Zwischenschritt sein. Doch selbst wenn es eingeführt würde, wäre es nicht sicher, ob dann immer weitere Zwischenschritte gegangen würden und am Ende eine Art Star-Trek-Gesellschaft stünde. Auch ob das überhaupt wünschenswert wäre ist nicht sicher. Es ist einfach zu weit weg und für uns heutige Menschen schwer nachvollziehbar, wie es sich in so einer Gesellschaft lebt und wie sie funktioniert. Also sollte man das einfach offen lassen.