Liebe cat, bzw. Gast...das ist doch richtig?
Ganz lieben Dank für deinen langen Brief. Du hast mir vieles klar gemacht, so dass ich glaube, wieder neuen Mut und neue Kraft zu bekommen.
Ich kümmere mich schon seit Jahren nicht mehr um das Essen meiner Tochter und gezwungen hab ich sie nie. Allerdings bricht es gelegentlich aus mir heraus, nämlich immer dann, wenn ich glaube,am Ende zu sein und keine Kraft mehr verspüre.Dann fange ich an, Vorwürfe zu machen, z.B. mich aufrege, dass sie nur Mageryoghurt, Quark, usw. isst. Das ganze endet dann in Tränen auf beiden Seiten.Ich hab auch schon wiederholt gedroht, die Familie zu verlassen, sogar schon einmal die Koffer gepackt. Das ist sicherlich gewaltiger Druck, aber ich bin auch nur Mensch, ich ertrage die Situation lange Zeit, aber dann wird der Druck zu groß und ich explodiere.Ich habe immer alles für sie getan, Dinge eingekauft, die sie wünschte, usw.Ich liebe meine Tochter, aber inzwischen kann ich ihr diese Liebe nicht mehr zeigen, ich kann sie nicht mehr in den Arm nehmen wie ich es sonst immer noch gemacht habe. Sie selbst hat stets unendlichen Druck auf mich ausgeübt, tut es noch. Ich konnte kaum noch Gäste empfangen, fühlte mich immer mehr unfrei, weil sie mir stets zu verstehen gab, dass sie sich schlecht fühle, wenn ich dies oder das mache oder nicht mache, z.B ins Fitnesstudio gehe. Vor Jahren hatte sie noch versucht, sich zu uns zu setzen, wenn Verwandte da waren. Ich musste dann das Abendbrot zu einem best. Zeitpunkt, meistens 19.00 machen, hatte immer panische Angst, das nicht zu schaffen, wenn man erst vom Kaffeetisch um 18.00 aufstand.Verstehst du? Immer diese Angst, sie würde noch weniger essen,wenn ich nicht auf ihre Wünsche einging. Ich fühlte mich erpresst und fühle dies immer noch. Außerdem redet sie ständig in meine Essgewohnheiten rein, gibt immer Kommentare ab, die mich nur noch rot sehen lassen (wie "ich würde das so kochen und dazu das essen ",usw.). Ist doch irrsinnig, anderen Ratschläge zu geben und selbst zu verhungern!! Ich weiß, ich bin inzwischen überempfindlich geworden, jede Bemerkung von ihr gebe ich eine Bedeutung bei, die mit ihrer Krankheit zu tun hat. Es ist verteufelt. Wie kommen wir da raus? Ich frag mich jetzt z.B., ob ich ihr deinen Brief zeigen sollte.Was meinst du? Ich möchte sie ja verstehen. Sie hat ja auch schon diverse Therapien gemacht, weigert sich aber, noch einmal den Versuch zu machen. Ich sehe nur darin eine Chance. Außerdem war der Missbrauch während der früheren Therapien noch nicht aufgedeckt, das allein ist doch schon ein Grund! Aber soll ich sie zwingen, indem ich sie entmündigen lasse? Du selbst sagst, Zwang sei das schlimmste. Aber es kann doch ganz schnell zu spät sein! In meinen Augen hat sie die 30kg wieder unterschritten, es ist nichts mehr, GAR NICHTS an ihr dran. Nur Knochen von Haut überdeckt, jedes Gefäß, jede Sehne , jeder Knochen zeichnet sich ab!!Ich wäre dir sehr dankbar, wenn du mir in manchen Dingen konkret raten könntest.
Dir wünsche ich von ganzem Herzen, dass du deinen Weg weitergehst, wie du jetzt bekommen hast.
Sei ganz lieb gegrüßt!
H.